Abschussliste |
10.02.2022 22:12:00
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Darum wetten Leerverkäufer vermehrt gegen Wasserstoff-Aktien und ESG-Titel
Der ESG-Trend hat die Börsen erreicht. Die Abkürzung für Environmental, Social und Governance bezeichnet Faktoren, auf die es beim nachhaltigen Investieren ankommt. Nun scheinen entsprechende Aktien aber zum Ziel von Shortattacken von Hedgefonds geworden zu sein.
• Hedgefonds bauen Short-Wetten aus
• Zinserhöhungen verschärfen Lage
Nachhaltiges Investieren
Bereits seit einigen Jahren wird das Thema Klimaschutz in der Öffentlichkeit stark diskutiert. Gerade im Rahmen von jüngsten Naturkatastrophen erhält die Situation zusätzliche Brisanz. Besonders im Bereich Erneuerbare Energien tut sich nun aber Einiges: Nicht nur spriessen zahlreiche Anbieter von umweltfreundlichen Energiequellen wie Pilze aus dem Boden, oftmals werden die alternativen Stromlieferanten von Regierungsseite mit Subventionen und weiteren Finanzspritzen unterstützt, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. So umfasst etwa das 1,2 Billion US-Dollar schwere Infrastrukturpaket, das US-Präsident Joe Biden im November 2021 unterzeichnete, den Bau von mindestens vier Knotenpunkten für grünen Wasserstoff in den USA über einen Betrag von 8 Milliarden US-Dollar, wie "National Law Review" berichtete. Viele Marktteilnehmer sind der Meinung, dass die hohe Nachfrage nach Unternehmen, die sich auf die ESG-Faktoren konzentrieren, dafür sorgen dürfte, dass sich das Thema zu einem der Börsentrends in diesem Jahr entwickelt.
Hedgefonds schiessen gegen ESG-Aktien
Dies scheint sich jedoch nicht mit der Einschätzung einiger Hedgefonds zu decken, wie die "Financial Times" schreibt. Der Tageszeitung liegen Berichte von zahlreichen Shortsellern vor, die gegen Unternehmen wetten, die zwar mit einem besonders umweltfreundlichen Kerngeschäft werben, deren Gewinne aber in keinem Verhältnis zu den zukunftsweisenden Versprechen stehen oder schlichtweg nicht besonders vertrauenserweckend seien. Auch wenn das Thema unter Anlegern aktuell einen hohen Stellenwert geniesse, könne die Unterstützung langfristig wegbrechen, wenn die Firmen keine starken Bilanzen liefern können.
Zinserhöhung könnte zu Abwärtsspirale führen
Auch die angekündigten vier Zinserhöhungen durch die US-Notenbank Fed dürften den grünen Konzernen nicht in die Karten spielen. Besonders Unternehmen, die jetzt bereits Verluste verbuchen, könnten durch höhere Kreditkosten und damit auch geringere Einnahmen in eine Abwärtsspirale geraten. Neben den Short-Wetten gegen ESG-Unternehmen ändern viele Hedgefonds ihre Investmentstrategie laut Financial Times ausserdem insofern ab, dass sie Öl- und Gas-Aktien nachkaufen, die von umweltbewussten Anlegern zuvor aus dem Depot geschmissen wurden. "In einem Bärenmarkt wird ein Unternehmen nicht zum 60-fachen des Gewinns gehandelt, nur weil es etwas moralisch Gutes tut", erklärt Barry Norris, IT-Leiter bei Argonaut Capital, gegenüber dem Blatt. "Die Leute werden da ein bisschen hartnäckiger sein."
Grosse Projekte und Corona-Krise belasten NEL ASA
Auf der Abschussliste der Hedgefonds stehen laut Financial Times unter anderem Wasserstoff-Aktien. Hier wird besonders das Papier des norwegischen Unternehmens NEL ASA genannt, das von den Investmentfirmen Helikon Investments, Odey Asset Management und WorldQuant geshortet wird. Der Wasserstoff-Gigant mit Sitz in Oslo vermeldete im Oktober für das dritte Quartal 2021 einen Verlust von 113 Millionen Norwegischen Kronen. Damit lag der Wert über dem des Vorjahreszeitraums, als NEL ASA ein Minus von 42 Millionen Kronen auswies. Im Rahmen der Bilanzvorlage wurde dies damit begründet, dass man sich für zukünftige Investitionen wappne und nicht nur grössere Projekte anstehen, die auch ein höheres Personalaufkommen benötigen, sondern das neue Werk in Herøya derzeit noch nicht rentabel sei. Auch die Corona-Krise belaste die Finanzzahlen des Unternehmens weiterhin. Beim Umsatz konnte jedoch eine Steigerung von zuvor 148 Millionen Kronen auf 229 Millionen Kronen verzeichnet werden.
Odey-Partner James Hanbury zeigt sich nicht von den Zahlen überzeugt. "Es gibt keine offensichtliche Bewertungsunterstützung für NEL", so der Fondsmanager in einer Kundennotiz, die Financial Times vorliegt. So sei NEL ASA "defizitär" und verbrauche massiv Barmittel, ohne den Abschluss wichtiger Kooperationen fixieren zu können. Zwar ist Hanbury der Meinung, dass Wasserstoff beim Übergang von fossilen Brennstoffen zu grüner Energie eine tragende Rolle spielen werde, damit sei NEL ASA aber nicht alleine. Mit Konkurrenten wie Plug Power und Ballard Power ist der Wasserstoff-Markt hart umkämpft.
Auch Windkraft-Sektor unter Beschuss
Aber auch andere Anbieter von umweltfreundlicher Energiegewinnung stehen im Fokus der Shortseller: so etwa die Papiere des Windkraftanlagenherstellers Vestas, die laut Financial Times zuletzt deutlich zum Ziel von Leerverkäufen wurden. Der dänische Energie-Konzern vermeldete im dritten Quartal zwar einen Umsatzanstieg von 16,1 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro, für den Gewinn ging es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum aber um 21 Prozent auf 325 Milliarden Euro zurück. Dies rechtfertigt das Unternehmen mit der hohen Inflation sowie höheren Garantierückstellungen. Erst kürzlich wurden vorläufige Ergebnisse für das Gesamtjahr 2021 veröffentlicht, nach denen der erwartete Umsatz mit 15,57 Milliarden Euro zwar am unteren Ende der Erwartung von 15,5 bis 16,5 Milliarden Euro liegt, mit einem voraussichtlichen Gesamtgewinn von 461 Millionen Euro und einer Marge von 3,0 Prozent hat man das Margenziel von etwa 4 Prozent aber verfehlt. "Die Windenergiebranche wird weiterhin durch das derzeitige Umfeld herausgefordert, das durch eine instabile Lieferkette gekennzeichnet ist, was zu einer erheblichen Kosteninflation und Verzögerungen bei der Ausführung von Projekten führt", heisst es in der Ankündigung.
Marktumfeld "eingetrübt"
Ähnlich sieht es beim deutschen Konkurrenten Nordex aus. "Das Marktumfeld für Hersteller von Windenergieanlagen wie die Nordex Group hat sich im dritten Quartal 2021 trotz unverändert guter Nachfrage zum einen sehr schnell und zum anderen überraschend stark eingetrübt mit unterschiedlichen Ausprägungen bei den Unternehmen", informierte Nordex im Rahmen der letzten Bilanzvorlage. "Insbesondere die wachsende Instabilität und die extreme Volatilität auf den globalen Logistikmärkten haben die internationale Windindustrie und ihre Wertschöpfungskette ab den Sommermonaten spürbar erfasst. Daraus resultierende Verteuerungen bei Rohstoffen und Logistikkosten stellten erhebliche Belastungen dar." Vor knapp einem Jahr seien laut einer Breakout-Point-Analyse, auf die sich Financial Times bezieht, 0,79 Prozent der Nordex-Aktien Ziel von Shortsellern gewesenen. Nun liege der Anteil bei mehr als sieben Prozent. An offengelegten Leerverkäufen gemessen ist die Nordex-Aktie damit eine der am häufigsten geshorteten Anteilsscheine eines europäischen Unternehmens, wobei unter anderem Millennium Management, AKO Capital und Gladstone Capital Management zu den Hedgefonds zählen, die Wetten gegen das Papier halten.
Tesla und Rivian unter Shortsellern ebenfalls beliebt
Aber auch in anderen Branchen wird der Umwelt-Trend in Frage gestellt, erklärt das Blatt weiter. So seien auch Hersteller von Elektrofahrzeugen ein immer beliebteres Ziel der Short-Attacken. Argonaut-Investor Norris wettet eigenen Angaben zufolge gegen die Aktien der Branchengrösse Tesla, aber auch des Konkurrenten Rivian. Besonders das letztere Unternehmen sei ihm aufgrund der "lächerlichen Bewertung" ein Dorn im Auge. Auch könne der E-Autobauer keine innovativen Produkte vorweisen, die es nicht bereits so oder so ähnlich von anderen Firmen in der E-Mobilitäts-Branche gegeben hätte. Dies zeige sich auch darin, dass der Online-Versandriese Amazon, der zu den Investoren des E-Konzerns gehört, kürzlich eine Kooperation mit dem Autohersteller Stellantis abschliessen konnte - und dabei nicht auf die Technologie des eigenen Investments zurückgriff. "Meiner Ansicht nach befinden wir uns in einem Bärenmarkt und haben den Höhepunkt der Spekulation überschritten", so Norris. "Dies ist genau die Art von Aktien, die man nicht besitzen möchte."
Redaktion finanzen.ch
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