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Experten-Kolumne 15.12.2025 12:24:02

KI-Rallye: Befinden wir uns bereits in einer Blase?

KI-Rallye: Befinden wir uns bereits in einer Blase?

Immer mehr Anleger stellen die Frage, ob die Begeisterung für künstliche Intelligenz den Markt in schnellen Schritten in Richtung einer Blase treibe, vergleichbar mit der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Der entscheidende Wendepunkt scheint noch nicht erreicht, doch eine spätere Übertreibung kann nicht ausgeschlossen werden.

Die heutigen "Hyperscaler" - also die Anbieter von Internet- und Cloud-Plattformen wie Amazon, Microsoft und Alphabet - können massive Investitionen in Chips und Rechenzentren besser aus eigener Stärke finanzieren als die Telekommunikationsunternehmen der späten 1990er Jahre. In Teilen wird die US-Wirtschaft durch diese Ausgaben sogar stabilisiert.

Der KI-Investitionszyklus umfasst Schätzungen zufolge rund sieben Prozent der US-Wirtschaftsleistung bzw. mehr als 2 Billionen US-Dollar. Ein solches Investitionsvolumen kann den Boom weiter nähren, solange die Ausgaben als strategisch "existentiell" gelten.

Der fehlende IPO-Schub

Gleichzeitig fehlt ein wichtiges Puzzlestück noch: der grosse IPO-Schub. Weder OpenAI noch andere prägende Start-ups wie Anthropic, Cohere, Mistral AI oder xAI sind bislang an der Börse. Der eigentliche "Global-Crossing-Moment" steht somit noch aus. 1998 ging das Unternehmen, welches die Ära des Glasfaserausbaus geprägt hat, mit einem Kurs von 19 Dollar pro Aktie an die Börse. Bereits neun Monate später wurde es zu 64 Dollar gehandelt.

Sobald detailliertere Einblicke in die Zahlen dieser Wachstumstories verfügbar werden, ist mit entsprechendem Marktinteresse und erhöhter Schwankung zu rechnen.

Zu einem späteren Zeitpunkt könnte es aber durchaus zu einer Blasenbildung kommen, die in einer potenziell schmerzhaften Korrektur enden könnte. Noch ist es jedoch nicht so weit. Für Anleger bedeutet das, dass Selektivität und ein Augenmerk auf Ertragskraft entscheidend bleiben.

Warum KI nicht nur Evolution, sondern auch Revolution ist

KI ist nicht nur eine technologische Evolution, sondern eine regelrechte Revolution, die sämtliche Wirtschaftssektoren grundlegend verändern wird. Wir stehen erst am Anfang eines exponentiellen Wachstumszyklus, dessen gesamte Dimension aktuell noch schwer zu erfassen ist. Das hat zur Folge, dass Gewinner und Verlierer künftig stärker auseinanderdriften und dass Timing-Fehler kostspielig sein dürften.

Aus Marktperspektive ergibt sich daraus ein zweigeteiltes Fazit: Erstens sprechen die Unterschiede zur Dotcom-Blase - stärkere Cashflows der Marktführer, diszipliniertere Investitionskulturen, breitere Anwendungsfälle - gegen die Diagnose einer unmittelbar bevorstehenden Spekulationsblase. Zweitens erinnert die Historie dennoch daran, dass Übertreibungen erfahrungsgemäss erst später sichtbar werden - häufig dann, wenn Kapitalzuflüsse in die "Story" schneller wachsen als die nachweisbaren Produktivitätsgewinne.

Akteure mit Zahlungsfähigkeit, klaren Pfaden zur Monetarisierung und Pricing-Power entlang der KI-Wertschöpfung sind daher attraktiv. Dazu gehören Halbleiter, Infrastruktur, Plattformen und vertikalen Anwendungen. Anleger sollten zudem bedenken, dass Produktivitätsgewinne oft zeitverzögert eintreten. Erwartungen müssen also an Umsetzungs- und Energiekapazitäten gemessen werden.

Jenseits der "offensichtlichen" Gewinner des KI-Trends lohnt sich der Blick auf Second-Order-Profiteure: In den Bereichen Industrie, Energie, Gesundheit oder Finanzdienstleistungen, wo die KI-Einführung Effizienz und Margen steigern könnte, steckt grosses Potenzial.

KI wird als struktureller Treiber erhalten bleiben, wenn der Markt wahrscheinlich auch Wellenbewegungen durchlaufen wird. Wer die Chancen nutzen will, darf die Story nicht meiden, sondern muss sie mit Stringenz kuratieren. Die Dynamik ist revolutionär, doch die Aufgabe für Anleger besteht darin, diese Revolution in tragfähige, diversifizierte Portfolios zu übersetzen.

Autor: Christophe Braun, Equity Investment Director, Capital Group

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.

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Bildquelle: Deemerwha studio / Shutterstock.com
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