Heftige Kritik |
07.04.2022 22:10:00
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Schweiz als Eldorado für russische Oligarchen: Schweizer Banken halfen wohl bei Kapitalflucht
Die Schweiz gilt schon lange als Finanz-Paradies für russische Oligarchen. Dies bestätigte sich nun im Zuge der russischen Attacke auf die Ukraine: Zahlreiche Putin-Profiteure flogen nach Zürich und Genf, um dort ihre Vermögen vor dem Einfrieren zu schützen. Was für eine Rolle spielen dabei die heimischen Banken?
• Nach Kriegsbeginn halfen Schweizer Banken wohl bei Rettung russischer Vermögen
• Kritik: "Zögerliche" Umsetzung der Sanktionen
Wie die "Handelszeitung" berichtet, sind zahlreiche russische Oligarchen direkt nach der Ukraine-Invasion Russlands nach Genf und Zürich geflogen, um ihr dort verwahrtes Vermögen zu sichern. Neun russische Privatjets flogen von Moskauer Startbahnen nach Zürich und sogar 13 nach Genf, so die Luftfahrtanalysefirma Wingx. Ein Insider erklärte gegenüber Reuters: "Als Putin in der Ukraine einmarschierte, sind mehrere Oligarchen in die Schweiz geflogen und sind dann zu den Banken nach Zürich gefahren. Sie diskutierten Lösungen, wie man Vermögen verschieben könne." Doch warum ist die Schweiz so beliebt bei den russischen Oligarchen?
Schweiz seit Jahrzehnten ein Paradies für russische Oligarchen
Dass die Eidgenossenschaft schon seit Jahrzehnten als ein attraktiver Standort für die Vermögen zahlreicher Putin-Profiteure gilt, ist kein Geheimnis. Die russischen Oligarchen schätzen die hohe Lebensqualität, die niedrigen Steuern und das geschäftsfreundliche Umfeld - aber natürlich auch die Diskretion vonseiten der Banken, wie die "Handelszeitung" betont. Kürzlich veröffentlichte die üblicherweise eher schweigsame Schweizerische Bankiervereinigung eine Schätzung, nach der das gesamte Vermögen, das im Ausland lebende Russen bei Schweizer Banken horten, zwischen 150 und 200 Milliarden Franken betrage. Dies entspreche mehr als einem Drittel aller investierbaren Vermögen der wohlhabenden Russen, welche die Boston Consulting Group Ende 2020 auf circa 500 Milliarden US-Dollar bezifferte. Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wurden zuletzt 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels über Genf, Zürich, Lugano und Zug abgewickelt.
Der hohen Bedeutung der Schweiz für die russischen Oligarchen ist sich auch Kiew bewusst. Im Rahmen einer Videoschaltung zu einer Friedensdemonstration in Bern legte der ukrainische Staatspräsident Wolodymir Selenskyj den Finger in die Wunde: "Auf Ihren Banken liegen die Gelder der Menschen, die diesen Krieg entfesselt haben", warf Selenskyj den Schweizer Geschäftsleuten und Politikern vor.
Schweizer Banken erörterten zunächst Möglichkeiten der Kapitalflucht
Es ist also wenig überraschend, dass viele russische Oligarchen nach dem Einmarsch in die Ukraine direkt die Schweiz ansteuerten. Dort angekommen, eruierten die russischen Superreichen mit ihren Finanzberatern verschiedene Möglichkeiten, wie sie dem Einfrieren ihres Vermögens entkommen konnten, das mit dem Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-Zahlungsverkehr einherging. Direkt nach Beginn des Ukraine-Krieges wurden hierbei Überweisungen russischer Gelder über eine aufwendige Alternative zu SWIFT gemeldet, erläutert Steuerexperte Thomas Koblenzer gegenüber Reuters. "Ich gehe davon aus, dass vermögende Russen auf diesem Weg Geld von europäischen Banken etwa auf asiatische Banken transferiert oder zu transferieren versucht haben, um Cash-Bestände in Sicherheit zu bringen", so Koblenzer. Mittlerweile hätten asiatische Banken diese Zuflüsse jedoch gestoppt. Auch Thomas Borer, ehemaliger Berater des russischen Grossunternehmers Viktor Vekselberg, bestätigt die anfängliche Bereitschaft der Schweizer Banken, den russischen Oligarchen bei der Kapitalflucht behilflich zu sein. Borer, der früher den Oligarchen Viktor Vekselberg beriet, verriet der Nachrichtenagentur Reuters: "Kurz vor der Einführung der Sanktionen in der Schweiz hatte ich Anfragen von Banken, wie sie mit russischen Kunden umgehen sollten".
"Zögerlichkeit" bei Umsetzung der Sanktionen gegen russische Grosskunden
Während dieses kurzen Zeitfensters zwischen der Einführung der EU-Sanktionen und dem Nachvollzug der Schweiz gab es folglich nachweislich rege Kontakte zwischen den russischen Oligarchen und den Schweizer Banken. Doch seitdem sich die Schweiz den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat, lehnen auch die Schweizer Banken jegliche Kooperation mit russischen Oligarchen ab - zu hoch wäre doch der Imageschaden bei einer weiteren Zusammenarbeit. So beantragte beispielsweise die Credit Suisse eine amtliche Bewilligung, damit zwanzig Compliance-Mitarbeiter auch an Feiertagen und nachts an der Umsetzung der Sanktionen gegen Russland arbeiten können. Ihr Russlandgeschäft baut die Credit Suisse seitdem zurück. Vontobel-Präsident Herbert Scheidt betont ebenfalls gegenüber der "Wirtschaftswoche": "Vontobel erfüllt selbstverständlich alle Sanktionen. Wir nehmen auch keine neuen Kunden aus Russland mehr an und bei den bestehenden Verbindungen ruht das Geschäft praktisch." Zudem seien nicht alle russischen Kunden grosse Oligarchen - vielmehr gebe es bei Vontobel einen hohen Anteil an russischen Mittelständlern. Scheidt sehe zudem "keine dramatischen Auswirkungen" der Sanktionen für den Finanzstandort Schweiz. Wie Samuel Gerber von "finews" hervorhebt, wollen sich die Schweizer Banken nicht mit dem "US-Sanktionsregime" anlegen. Deshalb scheinen die Schweizer Banken eine Kehrtwende bezüglich des Umgangs mit ihren milliardenschweren russischen Grosskunden vollzogen zu haben.
Dennoch wirft der Korruptionsexperte Mark Pieth den Schweizer Behörden "Zögerlichkeit" vor. Pieth kenne einen Fall, bei dem ein russischer Millionär eine Woche Zeit hatte, um nach seinem Erscheinen auf der Schweizer Sanktionsliste seine Firmenbeteiligungen zu verkaufen. "Entweder ist es eine Form von Inkompetenz oder man wollte diese russischen Interessen ziehen lassen", wird Pieth von der "Handelszeitung" zitiert. Gewiss hängt die diskrete Behandlung der russischen Oligarchen auch mit dem Eigeninteresse der Banken zusammen: Der Verlust dieser Grosskunden könnte nämlich hoch dotierte Jobs bei den Schweizer Banken gefährden, unterstreicht der "Tagesanzeiger".
Redaktion finanzen.ch
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