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Riesige Short-Möglichkeit 10.08.2020 21:29:00

Shortseller Jim Chanos warnt vor Markteinbruch: "Es kommen Probleme auf uns zu"

Shortseller Jim Chanos warnt vor Markteinbruch:

Selbst die Corona-Krise konnte den scheinbar endlosen Höhenflug der Aktienmärkte nicht längerfristig stoppen. Doch die Anzeichen für ein bevorstehendes Ende des Bullenmarktes mehren sich, sagt Shortseller Jim Chanos. Nach seiner Einschätzung herrscht am Aktienmarkt längst ein toxisches Klima, das zu grossen Problemen führen wird.

• Jim Chanos sieht Entwicklung des Marktes hin zu "größter Short-Möglichkeit aller Zeiten"
• Kritik an mangelnder Finanzaufsicht
Elon Musk und Tesla-Aktie als Paradebeispiel für alles, was am Markt schief läuft

Jim Chanos profitiert als Shortseller von fallenden Kursen. Daher ist es kein Wunder, dass er auch aktuell einen Absturz des Aktienmarktes prophezeit. "Dieser Markt entwickelt sich gerade zu einer der größten Short-Möglichkeiten aller Zeiten. Es kommen Probleme auf uns zu, ich weiß nicht wann, aber sie kommen", so der berühmte Leerverkäufer in einem Interview mit der "Financial Times". Auch wenn man kritisieren könnte, dass an einer solchen Aussage nur lange genug festgehalten werden muss, bis sie eines Tages dann tatsächlich eintrifft, sollte man sie doch nicht leichtfertig abschreiben. Denn der Investor kann auf eine beeindruckende Liste erfolgreicher Short-Geschäfte zurückblicken: Berühmt wurden Chanos und sein Leerverkaufs-Hedgefonds Kyniko Associates vor allem mit einer erfolgreichen Wette gegen den Energiekonzern Enron, der 2001 bankrott ging. In jüngster Vergangenheit lag der Leerverkaufs-Experte außerdem beim Autovermieter Hertz richtig, der in der Corona-Krise Insolvenz anmelden musste. Auch mit seiner Wette gegen Wirecard, dessen Aktienkurs durch die Aufdeckung eines Bilanzskandals seit Mitte Juni völlig abschmierte, verdiente Chanos laut Informationen der "Financial Times" kürzlich rund 100 Millionen US-Dollar.

Der Investor ist sich im Hinblick auf seine Geschäfte dabei selbst der Tatsache bewusst, dass dem Erfolg meist Wochen oder Monate des Schmerzes vorausgehen, bis das erwartete Kursdesaster eintritt. So sei es beispielsweise auch bei Wirecard gewesen, sagte Chanos gegenüber der britischen Wirtschaftszeitung. Dementsprechend könnte es auch jetzt wohl noch Wochen oder Monate dauern, bis der von ihm prophezeite Crash tatsächlich eintritt. Doch das Klima am Markt lässt seiner Meinung nach schlussendlich keine andere Entwicklung zu.

Marktklima als "berauschendes Hexengebräu für Probleme"

Mit Blick auf die aktuelle Stimmung am Aktienmarkt spricht der Leerverkäufer gegenüber der "Financial Times" von einem "berauschenden Hexengebräu für Probleme" und einem "goldenen Zeitalter des Betrugs" und nennt mehrere Faktoren, die seiner Einschätzung nach zu einer übertriebenen Euphorie und dem aktuell unheilvollen Marktklima geführt hätten. Ein Grund sei etwa der seit zehn Jahren anhaltende Bullenmarkt, der durch Interventionen der Zentralbanken angetrieben werde und dazu geführt habe, dass - aus Angst etwas zu verpassen - mittlerweile so viele Privatanleger am Markt investiert seien wie zuletzt kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase. Hinzu komme noch eine Politik unter US-Präsident Donald Trump, die es mit den Fakten nicht so genau nehme, und die "Fake it until you make it"-Kultur des Silicon Valley. Das alles habe dazu geführt, dass der Aktienmarkt aktuell ein fruchtbares Feld für Menschen biete, die eher locker mit der Wahrheit umgehen würden. Daher würden etwa Übeltäter in Unternehmen mit ihrem Verhalten momentan für eine lange Zeit durchkommen, so Chanos. Bestes Beispiel dafür ist wohl Wirecard.

Vor allem an den Behörden, die eigentlich für die Finanzmarktaufsicht und die Aufdeckung von Betrugsfällen zuständig sind, lässt der Experte daher auch kein gutes Haar. Die Regulatoren seien so etwas wie Archäologen für den Finanzsektor, sagte Chanos im Interview. "Sie werden Ihnen sagen, was das Problem war, nachdem ein Unternehmen zusammengebrochen ist", so der Shortseller. Sich selbst und andere seiner Branche sieht Chanos im Gegensatz dazu als Detektive, die vor allen anderen Ungereimtheiten in Bilanzberichten suchen würden und Betrug ausrotten wollten, so der Investor, der an der Yale University einen Kurs zum Erkennen von Finanzbetrug unterrichtet, in einem Interview mit "Citywire".

Auch gegenüber der "Financial Times" bekräftigte Chanos, dass es seine Mission sei, ein Geschäftsmodell zu verstehen und dann zu überprüfen, ob die Finanzberichte des Unternehmens dieses auch reflektieren würden. Dabei suche er vor allem nach "legalem Betrug", bei dem Unternehmen zwar die Bilanzierungsregeln befolgen würden, aber dennoch eine Täuschungsabsicht vorliege - zum Beispiel durch die Nutzung aggressiver Bilanzierungspraktiken, bei denen etwa Schulden in Tochtergesellschaften versteckt würden. Im Moment müsse man jedoch gar nicht so sehr nach einem Betrug suchen, da einem dieser "durch die Nutzung unternehmenseigener Kennzahlen direkt ins Gesicht starrt", so der Short-Seller. Als Beispiel dafür nennt er die Kennziffer EBITDAC, die einige Unternehmen nun nutzen würden. Dabei steht das "C", um das das herkömmliche EBITDA ergänzt wird, für "Corona-Virus" - die Kennzahl soll angeben, welche Gewinne ein Unternehmen ohne die Corona-Pandemie gehabt hätte. Da die Regulatoren in Bezug auf solch kreative, die Wirklichkeit verschleiernde Kennzahlen nicht strenger vorgehen würden, böte sich nun eine einmalige Gelegenheit für Shortseller.

Tesla als Beispiel für "Kultur der Täuschung"

Dass eine scheinbar günstige Short-Gelegenheit jedoch nicht immer so ganz aufgeht, zeigt das Beispiel der Tesla-Aktie. Laut "Financial Times" setzt Jim Chanos seit rund fünf Jahren auf einen Absturz der E-Auto-Aktie - stattdessen hat sich ihr Kurs in diesem Zeitraum versechsfacht. Dennoch bleibt der Experte gegenüber Tesla äußerst kritisch eingestellt. Das Unternehmen poliere seine Ergebnisse durch Buchhaltungstricks auf, sei unprofitabel, stehe unter zunehmendem Konkurrenzdruck und die Tesla-Aktie sei extrem gehebelt, so Chanos gegenüber der Zeitung. Zudem herrsche bei dem E-Autobauer eine "Kultur der Täuschung", da es autonomes Fahren an Kunden verkaufe, obwohl es diese Technologie noch nicht gebe. Dass die Tesla-Aktie dennoch einen anhaltenden Höhenflug hinlegt, hat laut ihm vor allem einen Grund: "Ich denke, Elon Musk personifiziert die Hoffnungen und Träume dieses Bullenmarktes", so Chanos. Dabei seien Personalität und große Ideen wichtiger als Fundamentaldaten. Die Tesla-Aktie ist somit ein Paradebeispiel für alles, was laut dem Investor am Markt derzeit in Schieflage geraten ist - ein ausreichender Grund für ihn, trotz des bislang verlustreichen Trades weiter short zu bleiben.

Redaktion finanzen.ch

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