Expertenkolumne |
09.07.2024 15:45:57
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Unaufhaltsamer Anstieg: Schuldenfalle Krankenkassenprämien
Die Krankenkassenprämien steigen weiter und treiben immer mehr Schweizerinnen und Schweizer in die Schuldenfalle. Können die neuen gesetzlichen Bestimmungen diese Entwicklung bremsen?
Eine Besserung ist vorerst nicht in Sicht: Die letzten Initiativen, die zum Ziel hatten, die Belastung durch die Krankenkassenprämien zu senken, wurden deutlich abgelehnt. Weitere Initiativen sind zu erwarten, wobei die Vorschläge zur Senkung der Gesundheitskosten und der Prämien sehr unterschiedlich ausfallen. Eine Konsensfindung dürfte wegen der zum Teil diametral entgegengesetzten Standpunkte der verschiedenen Interessengruppen schwierig sein. Gemäss der Konjunkturforschungsstelle KOF werden die Gesundheitskosten in der Schweiz im Jahr 2025 an der Grenze von 100 Milliarden Franken kratzen, was rund 12 Prozent des Bruttoinlandprodukts entspräche.
Krankenkassenprämien als Schuldenfalle
Jüngste Prognosen deuten darauf hin, dass die Prämien für die Grundversicherung im Jahr 2025 nochmals deutlich steigen könnten. Dies wäre der dritte massive Prämienanstieg in Folge, nach einer Erhöhung von 6,6 Prozent im Jahr 2023 und 8,7 Prozent im Jahr 2024. Diese Zahlen beziehen sich auf die durchschnittlichen Prämien für Erwachsene in der ganzen Schweiz, wobei die kantonalen Unterschiede gross sind.
Ein weniger bekanntes, aber ebenso gravierendes Problem ist die Schuldenfalle, in die immer mehr Versicherte trotz individuellen Prämienverbilligungen geraten. Bei stark verschuldeten Personen machen ausstehende Krankenkassenprämien heute 15 Prozent der Schuldensumme aus, 2015 waren es noch 8 Prozent. Auch wenn in vielen Fällen unverschuldet hohe Kosten durch Krankheit oder Unfall entstehen, haben andere Ausgaben wie Miete und Strom oft Vorrang, weil dort die Folgen einer Nichtzahlung unmittelbarer sind. Denn trotz ausstehender Prämienrechnungen sind medizinische Behandlungen möglich, und die Krankenkassen übernehmen weiterhin die Kosten für kassenpflichtige Leistungen. Allerdings gibt es in einigen Kantonen eine «schwarze Liste», nach der die Krankenkassen nur noch die Kosten für Notfallbehandlungen übernehmen, was zu weiteren Kostensteigerungen im Gesundheitssystem insgesamt führt.
Um den steigenden Prämien zu entfliehen, wählen immer mehr Menschen die höchstmögliche Franchise. Während es im Jahr 2018 noch 28,4 Prozent der Versicherten waren, stieg dieser Anteil 2023 auf 35,4 Prozent. Diese Strategie führt jedoch bei notwendigen Behandlungen zu hohen Selbstkosten, die manche Versicherte nicht bezahlen können, was oft zu (weiterer) Verschuldung führt.
Neue Gesetze schaffen (vielleicht) Abhilfe
Doch auch gesetzliche Bestimmungen haben bislang zu der Schuldenproblematik beigetragen. Bis Ende 2023 konnten 18-Jährige gezwungen werden, die Schulden ihrer Eltern aus nicht bezahlten Krankenkassenprämien zu übernehmen. Diese Regelung wurde im Krankenversicherungsgesetz per 1. Januar 2024 abgeschafft, sodass junge Erwachsene nicht mehr für die Prämienausstände belangt werden können, die durch Nichtbezahlung ihrer Prämien während ihrer Minderjährigkeit entstanden sind.
Eine zusätzliche Erleichterung könnte ab Mitte 2025 eintreten, wenn die Kantone die Möglichkeit erhalten, Verlustscheine zu übernehmen, wenn sie 90 Prozent der ausstehenden Beträge an die Krankenkasse bezahlen. Damit wäre der Versicherte schuldenfrei und könnte zu einer günstigeren Kasse wechseln. Es wird sich jedoch erst zeigen, ob und inwieweit die Kantone von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden. Weitere Neuerung im Krankenversicherungsgesetz, die verschuldete Personen entlasten sollen, betreffen das Pfändungsverfahren (Existenzminimum) und Betreibungen.
Versicherungsschutz regelmässig überprüfen
Sicher ist, dass die Problematik der steigenden Krankenkassenprämien und der daraus resultierenden Schuldenfalle ein drängendes Thema bleiben wird, das weiterhin Aufmerksamkeit und Lösungen erfordert. Langfristige Strategien zur Senkung der Gesundheitskosten und zur Eindämmung der Krankenkassenprämien in der Schweiz umfassen die Förderung der Prävention, die Digitalisierung im Gesundheitswesen, Strukturreformen, finanzielle Anreize und die Stärkung der Patientenbeteiligung. Diese Ansätze erfordern allerdings eine koordinierte Anstrengung von Leistungserbringern, Politik und Bevölkerung.
Dennoch gibt es auf individueller Ebene Möglichkeiten, um bei den Krankenkassenprämien zu sparen. Dazu gehören die umsichtige Wahl von Franchise und Selbstbehalt sowie flexible Versicherungsmodelle wie das Hausarztmodell, Telemedizinmodelle oder flexible Spitalzusatzversicherungen. Zudem empfiehlt es sich, den Versicherungsschutz regelmässig zu überprüfen und den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. So können die Kosten besser unter Kontrolle gehalten und das Verschuldungsrisiko verringert werden. Eine Beratung durch eine Fachperson kann dabei hilfreich sein.
Autor: Stephan Wirz, Geschäftsleitung der Maklerzentrum Schweiz AG
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