Experten-Kolumne |
08.05.2018 11:20:17
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Höhere Euro-Leitzinsen: vielleicht nur eine kurze Episode
Kolumne

Der geldpolitische Fahrplan der Europäischen Zentralbank (EZB) ist auf Sicht von etwa einem Jahr ziemlich klar. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass die EZB ihr Anleihenkaufprogramm von derzeit 30 Milliarden Euro pro Monat bis zum Jahresende vollständig zurückfahren wird.
Auf Draghis Nachfolger warten in den kommenden Jahren jedoch neue Herausforderungen. Eine davon lautet: Bis zu welchem Grad gelingt es ihm (oder ihr), die Geldpolitik weiter zu normalisieren, ehe die Volkswirtschaften der USA und jene der Eurozone in die nächste Rezession abgleiten. Eine zweite Herausforderung besteht darin, die Instrumente zu kalibrieren, mit deren Hilfe die EZB ihre Geldpolitik umsetzt.
Jenseits des Atlantiks plant der Offenmarktausschuss der US-Notenbank (FOMC), den entscheidenden Leitzinssatz bis 2020 auf 3,4 Prozent zu erhöhen. Glaubt man hingegen den Future-Märkten für Zinssätze, dann dürfte der FOMC die Zinserhöhungs-Runde 2020 mit Sätzen zwischen (nur) 2,50 und 2,75 Prozent beenden. Die EZB würde dann - allerdings deutlich nach dem Ende der Zinserhöhungen der Fed - ihre Raten schrittweise auf 1,75 Prozent anheben. Alle drei Prognosen können aber nicht gleichzeitig korrekt sein. Wir glauben, dass der Markt das Ausmaß überschätzt, bis zu dem die EZB ihre Leitzinsen normalisieren kann. Brutto-Exporte von Gütern und Dienstleistungen standen im vergangenen Jahr für 47 Prozent der Einnahmen der Eurozone. Europas Abhängigkeit von externer Nachfrage wird das Ausmaß der Zinsschritte der EZB jenseits der Marke von null Prozent begrenzen, sobald sich das globale Wirtschaftswachstum abschwächt.
Weil der Spielraum der EZB, die Leitzinsen in diesem Szenario wieder zu senken, begrenzt ist, muss die EZB (abermals) ihre Bilanz nutzen, um deflationärem Druck entgegenzuwirken, wenn sie mit der nächsten Rezession konfrontiert wird. Wir gehen davon aus, dass sehr langfristige Refinanzierungs-Geschäfte, sogenannte LTROs, ein Standard-Werkzeug der Geldpolitik werden, sobald die aktuellen LTROs ab September fällig werden. Zuteilungs-Auktionen zu fixen Sätzen, bei denen die EZB den Geschäftsbanken gegen entsprechende Sicherheiten jegliche Liquidität leiht, die diese nachfragen, werden wohl ebenfalls Bestandteil des geldpolitischen Standard-Werkzeugkastens bleiben - zumindest so lange, wie die EZB fällige Anleihen, die sie im Rahmen ihres Aufkaufprogramms erworben hat, reinvestiert, was sie nach unserer Meinung noch bis mindestens zum Jahr 2020 tun wird.
Was kann die EZB tun, wenn der nächste Abschwung kommt und die Leitzinsen nahe null Prozent liegen? Eine Möglichkeit, die Terminstruktur der Zinssätze, zu denen sich Firmen Geld leihen, abzusenken, bestünde im Empfangen von Zins-Swaps und dem gleichzeitigen Kauf von Vermögenswerten aus dem privaten Sektor. Ohne eine zentralisierte Fiskalpolitik und eine gemeinsame Einlagensicherung werden Unternehmen - insbesondere die Banken in der Peripherie der Eurozone - und die jeweiligen Staaten jedoch aneinander gekettet bleiben. Das lässt uns zu dem Schluss kommen, dass die EZB ihre selbst auferlegte Grenze - nämlich maximal ein Drittel der Staatsanleihen eines Mitgliedsstaates aufzukaufen - aufgeben wird.
Von welcher Seite wir uns die Sache auch ansehen: Europas unkonventionelle Geldpolitik und die niedrigen Leitzinsen werden wahrscheinlich weiter bestehen bleiben. Insbesondere für die Geldmärkte der Eurozone bedeutet das, dass diese in den kommenden Jahren lediglich eine kurze Periode erleben werden, in denen die Leitzinsen über der Marke von null Prozent liegen.
Andrew Bosomworth: Managing Director, Leiter des deutschen Portfoliomanagements bei PIMCO in München
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.
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