Experten-Kolumne |
19.06.2023 16:15:13
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PIMCO: EZB Politik im Blick
Die EZB hat auf der Juni-Sitzung den Zinssatz für die Einlagefazilität um 25 Basispunkte (BP) auf 3,5 Prozent angehoben.
Robuster Arbeitsmarkt, hartnäckiger Preisauftrieb
Wir sind weiterhin der Ansicht, dass ein EZB-Leitzins von 4,0 Prozent angemessen ist, sehen aber ein gewisses Aufwärtsrisiko für diese Schätzung. Denn die Arbeitsmärkte zeigen sich überraschend widerstandsfähig und die Inflation wird wahrscheinlich hartnäckig bleiben. Wir stellen ausserdem fest, dass der für die Einlagenfazilität erwartete Spitzensatz von 3,9 Prozent nach wie vor rund 30 BP unter dem Niveau liegt, das vor dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank im März eingepreist war (gemäss der Terminkurve Overnight Index Swap). Die Turbulenzen im Bankensektor dürften nach unserer Einschätzung die Inflationsaussichten der EZB nicht grundlegend verändern. Aus unserer Sicht sind 3,75 Prozent das untere Ende des Bereichs, in dem der Zinssatz für die Einlagenfazilität landen dürfte.
Die vorläufigen Inflationsschätzungen für den Euroraum fielen im Mai überraschend niedriger aus. Aber der zugrunde liegende Preisdruck bleibt fest und die Inflationsaussichten sind weiterhin "zu hoch für zu lange". Tatsächlich wird erwartet, dass sich die Gesamtinflation im Euroraum im Mai bei 6,1 Prozent im Jahresvergleich einpendeln wird. Das deutet darauf hin, dass die EZB ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen hat. Aufwärtsrisiken ergeben sich aus den nach wie vor starken inländischen und lohnintensiven Komponenten der Inflation. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, wie lange Prozess der Inflationsanpassung dauern wird.
Die Unsicherheit, insbesondere in Bezug auf den mittelfristigen Verlauf der Kerninflation, ist nach wie vor gross. Die Erfahrungen in den USA signalisieren, dass die Kerninflation möglicherweise langsamer zurückgehen könnte als ursprünglich angenommen. Die Kerninflation ist sozusagen mit dem Aufzug nach oben gefahren, könnte aber auf dem Weg nach unten die Treppe nehmen. Die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit des Euroraums ist für die EZB nach wie vor ein zweischneidiges Schwert. Damit sich die Inflation wieder vollständig auf das Zwei-Prozent-Ziel normalisiert, ist wahrscheinlich eine gewisse Abkühlung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes erforderlich.
Staatsanleihen im Nachteil
Während die kurzfristige Richtung der europäischen Duration ungewiss bleibt, sind wir weiterhin der Meinung, dass europäische Zinsswaps im Laufe der Zeit besser abschneiden sollten als Kern-Staatsanleihen. Das bestätigte Ende der Reinvestitionen im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) ab Juli verschlechtert das relative technische Bild für Staatsanleihen.
Die endgültigen Leitzinsen: Starker Arbeitsmarkt signalisiert Aufwärtsrisiken
Im März ging die EZB davon aus, dass die durchschnittliche jährliche Gesamtinflation im Jahr 2025 bei 2,1 Prozent und damit geringfügig über dem Zielwert liegen würde. Damals rechnete sie im dritten Quartal 2025 mit einer Rückkehr der jährlichen Inflationsraten auf zwei Prozent. In Anbetracht der Daten der letzten drei Monate zeichnen die neuen makroökonomischen Projektionen der EZB für Juni ein ähnliches (wenn auch etwas schlechteres) Inflationsbild. Insbesondere geht die EZB nicht davon aus, dass sie ihr Inflationsziel über den gesamten Projektionszeitraum erreichen wird, und sieht die Gesamtinflation im Jahr 2025 bei 2,2 Prozent.
Die vorläufige Gesamtinflation des Euroraums für den Monat Mai sank um 0,9 Prozentpunkte auf 6,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Kerninflation ging um 0,3 Prozentpunkte auf 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Die Kerninflation war schwächer als in den letzten Monaten, was nach Monaten mit Überraschungen nach oben eine willkommene Nachricht war. Dennoch deuten die Daten darauf hin, dass die Indikatoren für den zugrunde liegenden Inflationsdruck nach wie vor hoch sind. Obwohl einige Anzeichen für eine Abschwächung zu erkennen sind, gibt es keine eindeutigen Hinweise darauf, dass die zugrunde liegende Inflation im Euroraum ihren Höhepunkt erreicht hat. Besondere Sorge bereitet der EZB nach wie vor die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt, hier ist keine Entspannung zu erkennen.
Die Juni-Projektionen der EZB gehen davon aus, dass die Vergütung je Arbeitnehmer im Jahr 2025 gegenüber dem Vorjahr um 3,9 Prozent steigen wird - nach dem Höchststand von 5,3 Prozent im Jahr 2023, was deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von 2,1 Prozent liegt. Die Arbeitslosenquote im Euroraum ging im April um 0,1 Prozent auf 6,5 Prozent zurück, ein Rekordtief und ein ganzer Punkt unter dem Niveau vor der Pandemie. Die EZB geht davon aus, dass sie weiter sinken wird.
Die Bilanz: Die geldpolitischen Zügel werden weiter gestrafft
Wie erwartet hat die EZB bestätigt, dass sie die Reinvestitionen im Rahmen des APP ab Juli einstellen wird, während sie die Reinvestitionen im Rahmen des Pandemischen Notfallkaufprogramms (PEPP) in vollem Umfang fortsetzt. Flexible PEPP-Reinvestitionen bleiben die erste Verteidigungslinie an der Anti-Fragmentierungsfront, und die EZB beabsichtigt derzeit, PEPP-Fälligkeiten bis mindestens Ende 2024 zu reinvestieren. Obwohl wir nicht ausschliessen, dass die EZB zu einem späteren Zeitpunkt eine frühere Reduzierung der PEPP-Wiederanlagen anstrebt, erwarten wir, dass Fortschritte bei der Verringerung des APP-Portfolios und eine grössere Transparenz bei den endgültigen Leitzinsen notwendige Bedingungen für eine Abkehr von den aktuellen PEPP-Wiederanlagerichtlinien darstellen.
Berichten zufolge geht die EZB davon aus, dass die vollständige Beendigung der APP-Reinvestitionen letztendlich einer Straffung des Zinssatzes der Einlagefazilität um etwa 25 BP entspricht und sich auf die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen des Euroraums um etwa 60 BP auswirken wird. Geht man davon aus, dass die APP-Reinvestitionen ab Juli enden, bedeutet die Reduzierung der Anleihebestände eine quantitative Straffung von rund 310 Milliarden Euro zwischen Juli 2023 und Mai 2024.
Darüber hinaus würde eine vollständige Abwicklung der ausstehenden 1,1 Billionen Euro an gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften (TLTRO) die EZB-Bilanz bis Ende 2024 um rund 14 Prozent schrumpfen lassen. Somit werden TLTRO-Fälligkeiten und vorzeitige Rückzahlungen den Löwenanteil der Bilanzstraffung der EZB in den nächsten anderthalb Jahren ausmachen, wobei in diesem Monat TLTRO-Fälligkeiten in Höhe von 477 Milliarden EUR fällig werden.
Längerfristig wird die Reinvestitionspolitik der EZB auch von der Ausgestaltung eines neuen operativen Rahmens für die Steuerung der kurzfristigen Zinssätze, einschliesslich des Umfangs eines strukturellen Anleiheportfolios, beeinflusst werden.
von Konstantin Veit, Portfolio-Manager und Leiter der European Rates- und Short-Term Desks beim Vermögensverwalter, PIMCO
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.
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