Besser als der Gesamtmarkt? |
12.09.2022 23:54:00
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Nestlé, Roche, Zurich & Co.: Lohnen sich Defensiv-Werte in der Krise noch?
Das aktuelle Marktumfeld ist weiterhin von vielen Unsicherheitsfaktoren geprägt: Hohe Inflation, steigende Leitzinsen, extreme Energiepreise und Lieferengpässe bestimmen das Bild. Traditionell sind in solch unsicheren Zeiten Defensiv-Werte besonders gefragt. Doch können sie in der Krise tatsächlich überzeugen?
• Antizyklische Werte traditionell aufgrund defensiven Charakters gefragt
• Einzelne Defensiv-Werte durchaus volatil
Das Jahr 2022 hat Anleger bereits vor grosse Herausforderungen gestellt. So ist die Inflation in die Höhe geschossen, die Zentralbanken haben sich von ihrer ultralockeren Geldpolitik verabschiedet und die Zinsschrauben angezogen, die Energiepreise sind vor dem Hintergrund des noch immer währenden Ukraine-Krieg quasi explodiert und auch die Lieferengpässe konnten noch nicht vollständig beseitigt werden.
Antizyklische Werte in Krisenzeiten traditionell gefragt
In solch unsicheren Zeiten, in denen die Volatilität sehr gross ist, wenden sich Anleger traditionell eher defensiven Titeln zu. Dazu zählen solche Unternehmen, die ein antizyklisches und konjunkturunabhängiges Geschäftsmodell verfolgen. Das schliesst die Branchen Gesundheit, Versorgung, Versicherung, Lebensmittel oder auch Hygiene mit ein. Auf der anderen Seite stehen Unternehmen, die stark von der Konjunktur abhängen wie Chip- und Fahrzeughersteller oder Technologie-Titel im Allgemeinen. Der Unterschied besteht dabei darin, dass die defensiven Branchen zu der Grundversorgung der Menschen zählen, sie werden also auch in Krisenzeiten benötigt, während die zyklischen Werte sich an der Konjunktur orientieren. Ist diese schwach, geht es meist auch mit den Umsätzen und Gewinnen der Unternehmen zurück. Auch die Aktienentwicklung lässt dann tendenziell zu wünschen übrig. Das bedeutet zwar nicht, dass Defensiv-Werte in Krisenzeiten durch die Decke gehen, aber sie entwickeln sich in Schwächephasen traditionell weniger schwach als der Durchschnitt. Wenn sie zusätzlich noch eine hohe Dividende zahlen, bieten sie darüber hinaus ein passives Einkommen für Anleger.
Gesundheitssektor besser als Gesamtmarkt - mit einem Haken
Auch in diesem krisengeplagten Jahr hat sich bisher gezeigt, dass die defensiven Sektoren eine bessere Performance als der Gesamtmarkt hinlegen konnten. Allerdings gibt es auch innerhalb der Untersektoren grosse Unterschiede. So hat sich der Gesundheitssektor laut Bloomberg-Daten zwar immer noch besser geschlagen als der Gesamtmarkt (gemessen an der Performance des MSCI World seit Jahresbeginn), hat jedoch noch schwächer abgeschnitten als die Versorgungsbranche. Dies lässt sich auch der Performance der heimischen Pharmagrössen ablesen. So weist der SMI seit Jahresbeginn eine Performance von -15,34 Prozent auf. Der Roche-Genussschein hat im gleichen Zeitraum 14,47 Prozent abgegeben, Novartis hat lediglich 1,15 Prozent verloren.
Wobei für den Gesundheitssektor noch hinzugefügt werden sollte, dass sich dessen Erfolg auch daran orientiert, ob ein Pharma-Unternehmen über eine gut gefüllte Produktpipeline verfügt. So ist hier für die Kursperformance auch zusätzlich von Bedeutung, welche Erfolge bzw. Misserfolge mit einzelnen Medikamenten verbucht worden sind.
Konsumgüter: Nestlés Performance hinkt hinter Konkurrent Unilever hinterher
Beim Konsumgütersektor springt in der Schweiz als erstes sicherlich das SMI-Schwergewicht Nestlé ins Auge. Jedoch musste auch der Nahrungsmittelhersteller in diesem Jahr bereits ein zweistelliges Minus einstecken. So beklagte sich das Unternehmen im Rahmen der Bilanzvorlage zum ersten Halbjahr 2022 Ende Juli, dass der Margendruck aufs Gesamtjahr gesehen gross bleiben dürfte. Besser geschlagen hat sich da der internationale Konkurrent Unilever. So zeigt sich der britisch-niederländische Konsumgüterhersteller für das Jahr 2022 optimistisch und hob im Rahmen der Quartalsvorlage Ende Juli den Ausblick für das Umsatzwachstum an.
Zurich überzeugt in der Versicherungsbranche
Die Versicherungsbranche hat auch in der aktuellen Krise durch solides Wachstum und hohe Dividenden überzeugt. Bestes Beispiel hierfür ist die Zurich Group: Das lässt sich auch an der Kursperformance ablesen. So konnte die Gruppe seit Jahresbeginn rund sechs Prozent hinzugewinnen. Der Reingewinn legte im ersten Semester 2022 zu, auch wenn die Turbulenzen an den Finanzmärkten für ein geringeres Wachstum als zuvor erwartet sorgten. Dennoch steht der Erstversicherer damit deutlich besser als der deutsche Rivale Allianz dar: Hier sorgten verschiedene Belastungen und Abschreibungen für einen Gewinnrückgang im zweiten Quartal. Der Anteilsschein hat seit Jahresbeginn knapp ein Fünftel an Wert verloren.
Grundversorger leiden unter Gaskrise
Bei den Grundversorgern gibt es dieses Jahr bisher eine grosse Diskrepanz zwischen den Performances der europäischen und US-amerikanischen Unternehmen. Verantwortlich dafür ist unter anderem die durch den Ukraine-Krieg verschärfte Energie-Krise in Europa. So sind die beiden europäischen Gas-Unternehmen Uniper und Fortum unter grossen Druck geraten. Während Uniper bereits staatliche Hilfe erhält, hat sich Fortum mit dem finnischen Staat auf eine Vereinbarung zur Überbrückungsfinanzierung verständigt. Anders sieht das ganze in den USA aus, wo die Aktie des Stromversorgers Constellation Energy innerhalb eines Jahres 104 Prozent zulegen konnte. Relativ stabil zeigt sich da das Schweizer Energie- und Infrastrukturunternehmen BKW, welches seine Gesamtleistung im ersten Halbjahr 2022 um 37 Prozent zum Vorjahr auf 2,3 Milliarden Franken steigern konnte und dessen Aktie innerhalb eines Jahres 17,5 Prozent hinzugewinnen konnte.
Es zeigt sich, dass einzelne Titel der verschiedenen Defensiv-Sektoren durchaus trotz ihres antizyklischen Charakters eine hohe Volatilität aufweisen können. Eine grössere Stabilität bietet daher ein Investment in den gesamten Sektor, wie es beispielweise mithilfe eines ETFs getätigt werden kann. Zwar ist hier auch das Aufwärtspotenzial im Vergleich mit einem Investment in eine Einzelaktie begrenzt, es wird jedoch einen grössere Diversifizierung geboten. Was dem eigenen Investment-Mindset mehr entspricht, das muss letztlich jeder Anleger selbst entscheiden.
Redaktion finanzen.ch
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