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Experten-Kolumne 30.06.2020 11:24:43

ESG-Fonds zeigen ihre Qualitäten

ESG-Fonds zeigen ihre Qualitäten

Im 1. Quartal dieses Jahres löste die Covid-19-Pandemie den schwersten Aktienmarkteinbruch seit der globalen Finanzkrise aus. Für Anleger mit Fokus auf Umwelt, Soziales und Governance (ESG) war die relative Widerstandskraft von ESG-Fonds beruhigend.

In dieser turbulenten Zeit konnten einige Trends beobachtet werden: Unternehmen mit höheren ESG-Ratings schnitten in der Regel besser ab als der breitere Markt. Diese Outperformance scheint Teil eines längeren allgemeinen Trends zu sein. Fonds, die in der einen oder anderen Form eine ESG-Strategie verfolgen, entwickelten sich in den letzten fünf Jahren im Grossen und Ganzen besser als herkömmliche Fonds*. Ausserdem erzielten Aktien des obersten Quintils der ESG-Ratings von Sustainalytics seit dem 4. Quartal 2018 eine Outperformance gegenüber dem S&P 500 und schnitten während der Covid-19-bedingten Verkaufswelle auf relativer Basis besonders gut ab.

Das ist insofern bedeutsam, als die Covid-19-Pandemie bei Weitem die grösste Marktkrise darstellt, mit der viele ESG-Fonds jemals konfrontiert waren. Die meisten ESG-Strategien wurden nach der Finanzkrise 2008 aufgelegt und profitierten daher von der anschliessenden langen Hausse, die über ein Jahrzehnt andauerte. In dieser Phase gab es natürlich auch Schocks. Sie waren aber von geringerer Intensität und Dauer als die Krise der Jahre 2007 bis 2008. Nun hat die Hausse zwar ein dramatisches Ende genommen, doch ESG-Fonds haben den Markteinbruch offenbar gut überstanden.

Langfristigkeit beachten

Allerdings ist bei der Einordnung dieser kurzfristigen Performance Vorsicht geboten, und es sollte ihr auch keine besondere Bedeutung beigemessen werden. Das attraktivste Merkmal von Fonds, die ESG-Faktoren einbeziehen, ist letztlich deren langfristiger Fokus, der sich aus einer guten Unternehmensführung sowie sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit ergibt.

Möglicherweise geht die kurzfristige Outperformance von ESG-Fonds auch eher auf ihre Sektorpositionierung als auf ihre ESG-Merkmale zurück. Viele ESG-Fonds weisen beispielsweise eine hohe Gewichtung im Gesundheitssektor und niedrigere Gewichtungen bei Energie- und Industriewerten als Mainstream-Fonds auf. Deshalb kam die Umschichtung aus besonders stark vom Einbruch der Wirtschaftsaktivität betroffenen Aktien der relativen Performance von ESG-Fonds zugute. Gleiches gilt für den Ölpreisverfall, der durch die Pandemie und den anhaltenden Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Russland hervorgerufen wurde. Der Gesundheitssektor bekam durch die starke Entwicklung von Gesundheitsunternehmen Auftrieb, die Medikamente oder Impfstoffe für Covid-19 auf den Markt bringen könnten.

Weniger anfällig gegenüber Konjunkturschwankungen

Diese Faktoren begünstigten zwar ESG-Fonds, ihre Positionierung soll jedoch langfristig positive Wirkungen erzielen und zielt nicht darauf ab, kurzfristige defensive Qualitäten zu bieten. Auf ESG-Faktoren und Nachhaltigkeit ausgerichtete Fonds haben sich immer wieder als weniger anfällig gegenüber Konjunkturrückgängen erwiesen. Dieser Effekt war bei starken Marktturbulenzen besonders ausgeprägt, etwa in den Jahren 2008, 2009, 2015 und 2018.

Daher sollten Anleger die inhärente Defensivität von ESG-Strategien nicht völlig ausser Acht lassen. Sie sollten jedoch bedenken, dass volatile Märkte mit häufigen Umschichtungen einhergehen. Aktien, die sich bei der Verkaufswelle am besten behauptet haben, sind möglicherweise nicht die grössten Nutzniesser einer Erholung der Anlegerstimmung. Unternehmen und Sektoren, die unsere Umwelt stark verschmutzen, könnten bei einer Erholung z. B. wieder deutlich zulegen, was Fonds mit stärkerer Nachhaltigkeitsorientierung zum Nachteil gereichen würde.

Doch sobald die erste Phase der Konjunkturerholung abgeschlossen ist, dürfte das Potenzial von ESG-Fonds stärker zum Tragen kommen. Mittelfristig besteht jedoch, wie bereits von verschiedenen Seiten geäussert, die Chance, beim Neustart auf eine sauberere und grünere Wirtschaft zu setzen, die letztlich nachhaltiger ist.

Grüner Wandel?

Das könnte einen Wandel in Richtung "circular economy" beinhalten, bei der keine Ressourcen verschwendet werden und Recycling Priorität hat. Einige Regierungen unternehmen bereits wichtige Schritte in diese Richtung. In der Europäischen Union besteht beispielsweise Einvernehmen, dass die Konjunkturerholung mit einem "grünen Wandel" im Einklang stehen sollte, und in Südkorea hat die Regierung einen "Green Deal" zur Stimulierung der Wirtschaft angekündigt und will bis 2050 Klimaneutralität erreichen. Derartige Pläne sind jedoch nicht selbstverständlich. In den USA bevorzugt die Regierung bei ihren Stimulierungsprogrammen beispielsweise Energieunternehmen mit Schwerpunkt auf fossilen Brennstoffen statt Anbieter sauberer Energie.

Jeder Schritt in die Richtung einer umweltfreundlicheren Wirtschaft dürfte dem ökologischen Fokus von ESG-Fonds zugutekommen. Aber auch die sozialen und Governance-Aspekte des ESG-Konzepts könnten bei einer Erholung von der Pandemie wieder stärkere Beachtung finden. Diese Krise hat die enormen sozialen Ungleichheiten verdeutlicht, unter denen vor allem viele marginalisierte Gruppen leiden. Die Pandemie wird die Art, wie unsere Gesellschaften funktionieren, zweifellos ändern. Unternehmen, die gegen diese sozialen Ungleichheiten vorgehen und verantwortungsbewusste Geschäftspraktiken anwenden, wird eine Anpassung an diese neue Welt besser gelingen. Unternehmen, die ohnehin flexible Telearbeit anbieten, können sich z. B. schneller an eine Situation anpassen, in der längere Zeit soziale Distanz gewahrt werden muss. Und Firmen, die sich um das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter kümmern, dürften über eine gesündere, widerstandsfähigere und stabilere Belegschaft verfügen.

Und die gute Unternehmensführung - das G für die "Governance" bei den ESG-Faktoren - wird ausschlaggebend dafür sein, welche Chancen ein Unternehmen hat, die Krise gut zu überstehen. Besonders verantwortungsbewusst geführte Unternehmen gehen mit grosser Wahrscheinlichkeit operativ gestärkt und mit besserer Reputation aus der Krise hervor. Manager von ESG-Strategien, die diese Unternehmen identifizieren, können den Anlegern ein Investment in eine bessere und nachhaltigere Zukunft bieten.

Amanda Young, Global Head of Responsible Investment, Aberdeen Standard Investments

*Annahmen basieren auf Aktien, die auf Grundlage des ESG-Ratings von Sustainalytics zum obersten Quintil (oberste 20%) gehören und seit dem 4. Quartal 2018 den S&P 500 übertroffen haben.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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Bildquelle: Flashpop/Getty Images

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