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Experten-Kolumne 14.04.2016 15:03:16

Taiwan hat dazu gelernt

Kolumne

Die Finanzsysteme von China, Taiwan, Südkorea und Japan ähneln sich stark. Das ist historisch begründet. Taiwans Wirtschaft musste sich in den letzten Jahrzehnten aber mehr beweisen als beispielsweise die Wirtschaftsmacht China - das kommt ihr nun zugute.

Ich liebe es, Taiwan zu besuchen, da es so komplett anders als der Rest von Asien ist. Wenn jemand Singapur, Hong Kong, Shanghai oder Mumbai (ok, Mumbai nicht) erwähnt, kommen einem Bilder von neuen Wolkenkratzern, sauberen Strassen, einem ausgebauten U-Bahn-Netz in den Sinn. Es scheint allgegenwärtig, dass die Zukunft in Asien blühen dürfte. Hier ist Wachstum zu finden, hier ist es, wo das "Geschehen stattfindet". Aber Taiwan ist diesbezüglich speziell.

Ja, sie bauen ein Hochgeschwindigkeitsbahnsystem und ja, die Strassennetze sind effizient. Allerdings, sogar in Taipei, nur ein paar Strassen entfernt von der neuen Innenstadt, fühlt man sich ins letzte Jahrhundert zurückversetzt. Die Zeit ist hier stehengeblieben.

Finanzsysteme von China, Taiwan, Südkorea und Japan ähneln sich stark 

Vielleicht wäre hier ein bisschen historischer Hintergrund hilfreich: Die Holländer kolonisierten Taiwan im siebzehnten Jahrhundert. In den 1660s, wurde Taiwan zunehmend in der chinesischen Quing-Dynastie integriert. Nach der japanischen Industrialisierung unter der sogenannten Meiji-Restauration, entwickelten sich eine deutliche Kluft zwischen dem Potenzial der Marine und des Militärs von Japan und China. Ähnlich wie in den westlichen Nationen, war auch Japan im Neunzehnten Jahrhundert expansiv unterwegs.

Der erste Chinesisch-Japanische Krieg wurde in 1894/95 von Japan zum Teil deswegen geführt, um Kontrolle über Korea zu bekommen. Als Teil des Vertrags von Shimonoseki, der den Krieg beendete, bekam Japan die Kontrolle über Taiwan, in dem sie bis zu ihrer Kapitulation 1945 herrschten. Es ist also nicht allzu schwer zu erkennen, warum sich die Finanzsysteme in Japan, Taiwan, China und Südkorea so ähneln. Banken und Versicherungsunternehmen in diesen vier Nationen haben sich meiner Meinung nach Grösse und Marktanteil zum Ziel gesetzt, nicht die Risikominimierung oder hohe Profitabilität. 

Vielleicht ist es ja ein Vermächtnis von Japans Herrschaft über Korea, Taiwan und Teile von China, dass das Finanzsystem darauf spezialisiert war, Industrielle mit Krediten, Kapital und Sicherheit auf Kosten der Sparer anzubieten. Oder vielleicht auch, weil Japan als Vorbild in Bezug auf Entwicklungsökonomie galt, nachdem es sich innerhalb von zwei Generationen mit Hilfe von günstigen Krediten und einem unternehmerischen Währungssystem in eine moderne, industrialisierte Volkswirtschaft entwickelte. Dieses Modell kopierten die autoritativen Regierungen in Taiwan, Korea und das Kommunistische China gerne. 

China als potenziellen Kunden

In jedem Fall ist die Ähnlichkeit fast unheimlich. Dies sieht man auch daran, dass sich kein Investor nach Unternehmen mit hohen Kapitalrenditen umschaut. Chinas Aufstieg innerhalb der letzten drei Jahrzehnte zu einer Wirtschaftsmacht hat nachhaltige, aber sehr unterschiedliche Auswirkungen auf ihre drei Nachbarn. Ich werde anbei nur auf die volkswirtschaftlichen Aspekt eingehen, nicht auf die geopolitischen Herausforderungen. Die Taiwanesen waren die ersten, die China sowohl als Produktionsort als auch als potenziellen Kunden erkannten. Die "early mover" nach China waren hauptsächlich PC-Unternehmen, welche die Produktion outgesourced haben, so wie Quanta, Compal oder eine Reihe von Herstellern, die in China günstige Arbeitsplätze, günstiges Land und eine günstige Währung fanden, und damit das Volumen der Produktion erhöhen konnten.

Wir reden hier aber nicht nur von Elektronikfirmen; Yue Yuen, der grösste Schuhersteller der Welt, zu dem unter anderem auch Nike und Adidas gehören, ist auch ursprünglich aus Taiwan. Dann waren noch die ersten Generationen der chinesischen Konsumgüterfirmen, wie zum Beispiel Tingyi, Want Want oder die UniPresident Gruppe, die alle auch aus Taiwan stammen. Nachdem die Grösse und Wettbewerbsfähigkeit von China langsam offensichtlich wurde, mussten die Firmen, die nicht nach China wechseln konnten, innovativer werden. Sie fokussierten sich auf die Forschung und Entwicklung, um sich abzuheben und höhere Renditen zu erwirtschaften. Nach dem Platzen der Nasdaq-Blase in den 2000ern, bekam Taiwans Wirtschaft den folgenden Abschwung zu spüren. Zwischenzeitlich begannen lokale chinesische Unternehmer im Vorfeld zum Beitritt zur World Trade Organization (WTO) und zunehmenden Zugriff auf Darlehen aggressiver branchenübergreifend zu konkurrieren. 

In den Nullerjahren kam in Taiwan mit Blick auf das Verhalten von  Unternehmen ein Aspekt auf (ich generalisiere hier), der uns vom Investieren im grossen Stile abhielt. Die meisten Unternehmen bezahlten ihre Mitarbeiter mit sogenannten Employee Stock Ownership Plans (ESOPs). Zu der Zeit verlangten die Rechnungslegungstandards noch nicht, dass diese ESOPs als Kosten auf der Gewinn und Verlustrechnung auftauchen. Die Management-Teams machten sich zu dem Zeitpunkt noch nicht viel Gedanken über eine Verwässerung für die Aktionäre. Wir fanden es auch seltsam, dass die Führungsetagen es bevorzugten, Kapital über Wandelanleihen aufzubringen (mit dem Gedanken, dass das Kapital umsonst wäre, nachdem die Zinsen auf Wandelanleihen gering waren und eine Verwässerung in ihren Augen keine Rolle spielte). Auch wenn die meisten Unternehmen Dividenden bezahlten, so bevorzugten sie es doch im allgemeinen Aktiendividenden und kein Cash auszubezahlen. 

China ist kein Billigstandort mehr

Es hat sich viel seit 2010 geändert. In China haben sich alle Kernfaktoren der Produktion verteuert - sei es die Löhne, die Kosten von Land, Steuern oder Währungen -, insbesondere im relativen Vergleich zu Taiwan. Als Beispiel: in Taiwan sind die Kosten für Löhne und Gehälter innerhalb der letzten zwölf Jahre um 1% gestiegen. In China sind sie 2009 um aufgezinste 12-15% pro Jahr gestiegen. 

Wie wir von aktuellen Events von China wissen, kämpfen Industrien, die sich nur auf "Scale" konzentriert haben, nun mit Überkapazitäten. Dies wiederum führt zu schlechten Kapitalumschlägen und negativen operativen Cash-Flows. Schuhfabrikanten und die Bekleidungsindustrie sind inzwischen nach Vietnam, Indonesien und noch günstigeren Ländern geflohen. 

Aber all diese Faktoren, die ich aufgezählt hatte, sind sehr makro-orientiert und sicherlich nicht innerhalb der Kontrolle der Manager. Was sich deutlicher verändert hat, ist die Einstellung der Manager, insbesondere von denen, die in Taiwan geblieben sind. All die ESOP Zuschüsse sind verschwunden - sie müssen nun als Kosten aufgeführt werden. Die Rendite des eingesetzten Kapitals (ROCE) und Free-Cash-Flows sind aktuell der Hauptfokus. Die Dividendenzahlungen werden aktuell fast nur noch in Cash ausgebezahlt, und die einzigen Firmen, die aktuell noch Wandelanleihen ausgeben, sind solche, in die man nicht wirklich investieren möchte. Die Taiwanesischen Unternehmen, die überlebt haben, sehen nun endlich die Vorzüge ihrer vorherigen schmerzvollen Entscheidungen in dem letzten Jahrzehnt.

Samir Mehta: JOHCM Asia ex Japan Fund

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