Expertenkolumne |
01.11.2023 15:31:15
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Signale während des Ausverkaufs: Steigende Renditen und das zukünftige Angebot bei Anleihen
Der Ausverkauf am Anleihemarkt wird unserer Ansicht nach hauptsächlich von den Erwartungen der Anleger an eine zunehmend widerstandsfähige US-Wirtschaft getrieben.
Wir haben all dies bereits in einem Blogbeitrag ("Understanding the Rise in Bond Yields") in diesem Monat diskutiert, und letzte Woche setzte sich der Ausverkauf fort, wobei die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe kurzzeitig 5% erreichte - ein Niveau, das es seit 2007 nicht mehr gab.
Der Anstieg der Anleiherenditen fällt mit einer Versteilung der Renditekurve zusammen (insbesondere der realen Renditekurve), was darauf hindeutet, dass Investoren eine höheres "Renditepolster" - d.h. eine höhere Laufzeitprämie - für den Kauf von Staatsanleihen mit längerer Laufzeit verlangen.
In dieser Situation erscheint es unlogisch, dass eine geringere Rezessionswahrscheinlichkeit die Investorenerwartungen an die zukünftige Angebotsfülle an Anleihen auf dem Markt erhöhen könnte. Normalerweise führt Wachstum zu höheren Steuer- und Staatseinnahmen, wodurch der Finanzierungsbedarf des Staates sinkt. Dies geschieht jedoch derzeit nicht, denn ohne eine bevorstehende Rezession können die Zentralbanken ihre Anleihebestände stärker reduzieren. Darüber hinaus könnte sich der fiskalische Ausblick weiter verschlechtert haben, da staatliche Anreize zur Förderung erneuerbarer Energien die Steuereinnahmen in diesem wachsenden Sektor verringern könnten.
In welchem Masse sich dieses zukünftige Angebot bereits in den aktuellen Anleihepreisen widerspiegelt, ist aufgrund grösserer Fehlermargen bei ökonometrischen Schätzungen schwer zu sagen. Dennoch können wir anhand von 11 wissenschaftlichen Studien eine vernünftige Schätzung abgeben, dass der Markt bereits etwa 3,5 Billionen US-Dollar zusätzliches Angebot an US-Staatsanleihen eingepreist hat.
Für Interessierte hier die Berechnung hinter der Schätzung von 3,5 Billionen US-Dollar: Etwa 1% des BIP an zusätzlichem Angebot an staatlichen oder staatlich garantierten Schuldtiteln (was derzeit etwa 270 Milliarden US-Dollar entspricht) würde etwa 6 Basispunkte (bps) an realer Laufzeitprämie ausmachen. Das entspricht etwa 45 Milliarden US-Dollar Angebot pro Basispunkt an Laufzeitprämie. Weiterhin können wir anhand der Renditekurve der 2-jährigen /10-jährigen US-Staatsanleihen als Annäherungswert für die Laufzeitprämien abschätzen, dass die 10-jährigen Laufzeitprämien seit Ende Juli um etwa 75 bps gestiegen sind. Unter der Annahme (vielleicht etwas verallgemeinernd), dass der gesamte Anstieg von 75 bps die Nachfrage der Investoren nach Renditepolsterung als Reaktion auf Angebotsbedenken widerspiegelt, kommen wir zu einer marktbasierten Schätzung von fast 3,5 Billionen US-Dollar an zukünftigem Angebot an US-Staatsanleihen.
Eine ähnliche Zahl bekommen wir auch, wenn wir uns aus einer anderen Richtung nähern. Die Bestände der Federal Reserve an US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren (MBS) liegen laut Prognosen der New York Fed immer noch rund 2 Billionen US-Dollar über dem Niveau, das mit "neutral" vereinbar ist. Mit anderen Worten: Wir können schätzen, dass die US-Regierung in den nächsten Jahren einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von 1,5 Billionen US-Dollar über den bereits bestehenden Defiziten haben wird, während weitere 500 Milliarden US-Dollar an MBS-Anleihen, die von US-Behörden emittiert werden, von privaten Investoren erworben werden müssen. Hinzu kommt, dass private Ökonomen (in einer Studie von Bistline et al. aus dem Jahr 2023, veröffentlicht vom Brookings Institution) einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von 1 Billion US-Dollar (über den Schätzungen des Congressional Budget Office hinaus) geschätzt haben. Grund dafür ist die Erwartung eines stärkeren Wachstums in verschiedenen "grünen" Sektoren und eine damit zusammenhängende Erhöhung der Kosten für Steueranreize im Rahmen des Inflation Reduction Act. Zusammen genommen liegen diese zusätzlichen Angebotsschätzungen (3 Billionen US-Dollar) in der Nähe der Schätzungen, die sich schon aus den jüngsten Bewegungen am Anleihemarkt ergeben - was darauf hindeutet, dass sich viel von den zusätzlichen Angebotserwartungen bereits in höheren Renditen ausdrückt.
Was könnte diese Aussicht ändern? Eine weitere Ausdehnung des Staatshaushalts ist eine offensichtliche Möglichkeit. Wir sind jedoch skeptisch, was das Potenzial für eine signifikante weitere fiskalische Expansion der USA betrifft. In unserem neuesten Secular-Ausblick "Wirtschaftliche Nachbeben" argumentierten wir, dass die massiven fiskalischen Interventionen im Zusammenhang mit der Pandemie und die steigenden Staatsschulden wahrscheinlich eine weitere fiskalische Expansion begrenzen werden - selbst bei einer wirtschaftlichen Abschwächung. Höhere Zinskosten für die Regierung aufgrund steigender Renditen würden im Laufe der Zeit zu höheren Defiziten führen.
Auf der anderen Seite könnten Laufzeitprämien ihren Kurs ändern und schrumpfen, wenn die Märkte das Risiko einer kurzfristigen Rezession neu bewerten. Das könnte dazu führen, dass die Federal Reserve ihre Bilanz vor Erreichen des neutralen Niveaus nicht weiter abbaut. Fed-Vertreter haben kommuniziert, dass sie die Bilanz auch nach Beginn der Aufhebung einiger geldpolitischer Beschränkungen weiter abbauen könnten, sofern keine Rezession eintritt. Eine moderate Rezession würde unserer Ansicht nach jedoch dazu führen, dass sie den Abbau der Bilanz stoppen, selbst wenn sie letztendlich keine weiteren Wertpapierkäufe tätigen.
In unserem neuesten Konjunkturausblick "Nach dem Zenit" argumentierten wir, dass die Märkte zu sorglos mit der Einpreisung von Rezessionsrisiken umgehen. Der jüngste Anstieg der Renditen ist unserer Ansicht nach ein weiterer Beweis dafür. Allerdings könnten eine restriktive Geldpolitik und höhere Anleiherenditen genau das bewirken, was die Märkte anscheinend nicht erwarten. Tatsächlich werden sich erhöhte Kapitalkosten voraussichtlich negativ auf die Netto-Neukreditvergabe auswirken, die für ein neues wirtschaftliches Wachstum erforderlich ist.
Es gibt jedoch auch eine klare positive Seite: Wir glauben, dass die steilere Renditekurve eine attraktive Gelegenheit für Geldmarkt-Investoren bietet, auch längerfristige Vermögenswerte in Betracht zu ziehen. Die Anfangsrenditen sind im historischen Vergleich und auch im Vergleich zu anderen Anlageklassen auf risikobereinigter Basis hoch. Dieses Renditepolster inmitten eines immer noch sehr unsicheren Ausblicks könnte Investoren dabei helfen, widerstandsfähige Portfolios mit nur einem moderaten Risiko aufzubauen. Mit anderen Worten: Die Angebotsstory spiegelt sich möglicherweise bereits im Preis (und in der Rendite) von Staatsanleihen wider. Aber wir beobachten, was noch nicht im Preis enthalten ist: langsames Wachstum und höhere Rezessionsrisiken, die höchstwahrscheinlich aus den nun strafferen finanziellen Bedingungen resultieren werden.
Autor: Tiffany Wilding, Ökonomin bei PIMCO
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