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Meinungen gehen auseinander 23.06.2023 22:19:00

"Meisterwerk der Ingenieurskunst" - Hat Apples Computer-Brille das Potential des iPhones?

Die kürzlich vorgestellte Virtual-Reality-Brille von Apple polarisiert: Sehen einige Experten in der Apple Vision Pro den heiligen Gral einer durch und durch digitalisierten Welt, so halten andere das Produkt für nicht massentauglich. Besonders bezüglich des hohen Preises der Vision Pro gehen die Meinungen auseinander.

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• Zu teuer und zu speziell? Kritiker sehen in Apples Headset keinen "game changer"
• Andere Experten sind von der Technik von Apples Gerät geradezu fasziniert
• VR-Brille als neues iPhone? Womöglich noch einige neue Versionen nötig

Seit der Vorstellung des neuen Virtual-Reality-Headsets namens Apple Vision Pro am 5. Juni ist Apples Vorstoss in den VR-Sektor eines der Hauptthemen unter Technik-Fans und auch unter Aktienanalysten. Wird das grösste Unternehmen der Welt mit seinem technischen Know-How, seiner enormen Beliebtheit unter den treuen Fans und dem ausgeklügelten Marketing-System endlich die schon seit langem angekündigte VR-Revolution hervorbringen? Oder handelt es sich bei der VR-Brille, die ab Frühjahr 2024 in den USA erhältlich sein soll, um einen Mega-Flop, weil sie allein schon wegen ihres exorbitanten Preises jegliche Kaufinteressenten abschrecken wird? Ein Überblick über die verschiedenen Ansichten lohnt sich.

Skeptiker kritisieren mangelnde Alltagstauglichkeit

Es gibt einige Argumente, womit Kritiker ihre Skepsis gegenüber dem künftigen Erfolg von Apples Headset erklären: Die VR-Brille sei zu teuer, weise zu geringe Anwendungsmöglichkeiten auf, führe zu Übelkeit, sei ästhetisch abstossend - die Liste liesse sich noch mit vielen weiteren Punkten ergänzen. Zu den Experten, die nicht allzu überzeugt von Apples neuem Produkt sind, gehört der VR-Experte Jeremy Bailenson. Bailenson hat als Leiter des renommierten Virtual-Reality-Labor der University of Stanford in Kalifornien langjährige Erfahrungen im VR-Bereich vorzuweisen. In den vergangenen zwanzig Jahren habe er schon oft von vermeintlichen "game changer"-Produkten gehört - die kühnen Vorhersagen hätten sich jedoch nie bewahrheitet, was ihn auch hinsichtlich des Apple-Headsets vorsichtig stimme.

Als wichtigsten Hinderungsgrund für durchschlagenden Erfolg sieht Bailenson die begrenzten Anwendungsmöglichkeiten der VR-Brillen. "Wir nutzen Virtual Reality ausschliesslich für Dinge, die in der realen Welt gefährlich, unmöglich, kontraproduktiv oder sehr teuer wären", betont Bailenson im Gespräch mit der "Neuen Zürcher Zeitung". Für alle anderen digitalen Tätigkeiten sei auch künftig die Nutzung von Computern, Smartphones oder Tablets praktischer, zumal Produkttester auch bei Apple-Headsets nach 15 Minuten der Nutzung über Kopfschmerzen klagten. Die potenziellen Käufer der 3'500 US-Dollar teuren Brille müssten davon überzeugt werden, "dass sie sich von einem Teil der realen Welt abkoppeln, dass ihre Haare durcheinandergeraten und ihr Make-up verwischt und dass sie ein Drittel ihres Kopf hinter einer Maske verschwinden lassen müssen". Deshalb erwartet Bailenson keinen grossen Durchbruch: "Man nutzt es nicht für acht Stunden Büroarbeit, und ich glaube nicht, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird."

Dennoch: Rein technisch gesehen ist Bailenson von Apples Headset begeistert. Der erfahrene VR-Experte verfällt gar in regelrechte Lobeshymnen und bezeichnet das neue Apple-Produkt als ein "Meisterwerk der Ingenieurskunst", das "ein brillantes, atemberaubend gutes visuelles Erlebnis" biete. Der hohe Preis zeige aber ebenso wie die geringe Alltagstauglichkeit, dass Apple vorerst nicht den Massenmarkt, sondern ein Fachpublikum ansprechen wolle - eine Gewinnmaschine à la iPhone dürfte das Headset laut Bailenson folglich nicht werden.

"Meisterwerk der Ingenieurskunst": Einige Experten kommen aus dem Staunen nicht heraus

Andere Experten im Bereich der Virtual Reality sind deutlich optimistischer, was den wirtschaftlichen Erfolg der Vision Pro angeht. Matthew Ball, Autor des 2022 erschienenen Bestsellers "Das Metaversum", unterstreicht die Strahlkraft des Tech-Branchenprimus: "Viele andere Gerätehersteller und Softwareentwickler weltweit werden von Apples Ideen inspiriert werden", prognostiziert Ball im Gespräch mit CNBC. Auch Doug Griffin, Managing Director bei Spatial Capital, lobt Apples Visionen. Besonders positiv zu werten sei, dass Apple die polarisierenden Mode-Wörter "Augmented Reality", "Metaversum" oder "Mixed Reality" nicht ein einziges Mal verwendet habe, sondern stattdessen den konkreteren und weniger belegten Begriff "Spatial Computing" zur Beschreibung der Anwendungsgebiete des Headsets verwendete. "Für mich hat Apple eine hervorragende Arbeit gemacht, um das Produkt im Markt zu positionieren", zitiert ihn die Neue Zürcher Zeitung. Mit dem nicht mehr abnehmenden Trend hin zum Home-Office habe Apple den Nerv der Zeit getroffen, das Headset stelle hier eine wichtige Vereinfachung der Arbeitsabläufe dar. "Die neue Bewegung hin zum Home-Office wird nicht mehr verschwinden, und das Headset könnte gerade für diese Arbeit allein zu Hause gut geeignet sein", meint Griffin.

Griffin ist denn auch von den technischen Fähigkeit des Apple-Headset begeistert. Das vorgestellte Produkt habe seine Erwartungen übertroffen, hebt Griffin hervor. Die Umsetzung des wahrgenommenen Spatial Computing sei atemberaubend, so werfen Gegenstände Schatten im Raum oder man kann in der Ansicht im Headset die Raumbeleuchtung herunterfahren. Langfristig, so Griffin, könne das Headset ein grosser Erfolg werden und einen grossen Beitrag zu Apples Profitabilität leisten. Zwar seien noch ein, zwei, womöglich drei Versionen des neuen Headsets nötig, bis der Massenmarkt bereit sei für die neue Plattform. "Bis dahin werden wir dann auch viele Apps von Drittanbietern auf dem Markt haben." Der Vergleich zum iPhone liegt hier nahe: So war es weniger die 2007 veröffentlichte erste Version des iPhones, die zum globalen Siegeszug antrat, sondern eher die zweite und vor allem die dritte Version des Apple-Smartphones. Griffin zufolge könnte sich dieses Muster mit Apples Headset wiederholen.

Die Gretchenfrage: Ist der Preis zu hoch?

` Ein Faktor, der einer hohen Nachfrage des Headsets entgegenstehen könnte, ist sein stolzer Preis. Selbst die an hohe Preise gewöhnte Apple-Anhängerschaft, die bei der Vorstellung der Spatial Computing-Brille zugegen war, konnte sich ein Raunen nicht verkneifen, als der Preis von 3'500 US-Dollar erstmals publik gemacht wurde. So kostet Apples "Spatial Computing"-Headset damit etwa dreieinhalbmal so viel wie die VR-Brillen des Mitbewerbers Meta, der einen Tag vor Apples Produktvorstellung das Erscheinen einer neuen Version seiner Quest-Brillen ankündigte.

"Das ist wahnsinnig teuer", meint Ball zu Apples Preissetzung. Dieser eklatante Preisunterschied sei allerdings nachvollziehbar, da Apples Gerät so viel besser sei als die Produkte der Konkurrenz. "Aber es zeigt auch, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, bis diese Headsets zum Alltagsgegenstand werden." Ob die Apple-Fans aber tatsächlich stets besagte 3'500 US-Dollar für die Headsets hinblättern müssen, wird von CNBC-Börsenexperte Jim Cramer bezweifelt. In einer jüngsten Ausgabe seiner Sendung "Mad Money" erinnerte Cramer daran, dass die Apple-Endkunden meist deutlich weniger für ihr iPhone zahlen müssen, weil die grossen US-Telekommunikationsanbieter wie allen voran Verizon, AT&T und T-Mobile US erhebliche Rabatte gewähren. Dieser Preiswettkampf werde sich auch bei der VR-Brille wiederholen, was zwar Apple-Kunden entgegenkommen, aber die Funkanbieter langfristig untereinander zerfleischen könnte. Aufgrund dieser Gemengelage dürfte sich der hohe Preis der Apple-Headsets Cramer zufolge als deutlich weniger hinderlich herauskristallisieren, als es die meisten Experten derzeit vermuten.

Redaktion finanzen.ch

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