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Konkurrenz schaut genau hin 08.07.2020 22:25:00

Wirecard-Bilanzskandal: Wer vom Untergang des einstigen Börsenstars profitieren könnte

Wirecard-Bilanzskandal: Wer vom Untergang des einstigen Börsenstars profitieren könnte

Das Wirecard-Debakel hat für ungeahnte Turbulenzen am deutschen Finanzmarkt gesorgt. Doch während der ehemalige Börsenstar wohl nicht mehr zu retten ist, dreht die Ex-Konkurrenz auf.

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• Wirecard-Pleite rückt Konkurrenten in den Fokus
• Wirecard-Reste für verschiedene Rivalen interessant
• Europa-Geschäft und Kunden im Visier

Das Drama um Wirecard deutete sich bereits vor einigen Monaten an: Immer wieder hatte die britische Zeitung "Financial Times" über Unregelmäßigkeiten bei der Bilanzierung berichtet, immer wieder hatte der DAX-Konzern die Vorwürfe zurückgewiesen und sogar mit Klage gedroht. Doch in im Juni 2020 kam es schließlich zur Eskalation. Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro haben dazu geführt, dass Wirecard Insolvenz anmelden musste. Ex-Chef Braun wurde festgenommen und ist inzwischen gegen Kaution auf freiem Fuß. Die Wirtschaftsprüfung EY, verantwortlich für die Prüfung des Jahresabschlusses 2019, geht von einem Betrug in internationalem Maßstab aus. Und die Anleger von Wirecard? Die mussten infolge der Ereignisse fast einen Totalverlust ihres Investments hinnehmen, denn der einstmals gefeierte Börsenstar, dessen Aktien noch im Herbst letzten Jahres knapp 160 Euro wert waren, ist massiv abgestürzt: Ende Juni ging es bis auf 1,08 Euro nach unten. Weiterhin ist der Handel mit Wirecard-Aktien von hoher Volatilität geprägt, inzwischen sind es aber vorrangig Spekulanten, die das Handelsgeschehen beeinflussen.

Anleger, die auf das eigentliche Geschäftsfeld von Wirecard gesetzt haben, sind unterdessen in Scharen geflohen. Dabei gibt es Unternehmen, die im gleichen Geschäftssegment wie Wirecard tätig sind, aber deutlich weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Adyen - Der größte Konkurrenz und Nutznießer des Wirecard-Debakels

Mit deutlich weniger Drama sind die Geschäfte bei dem niederländischen Payment-Konzern Adyen verbunden. Mit starken Zahlen im Rücken und großen Wachstumsambitionen hat sich das Unternehmen zu einem Liebling der Analysten und Anleger entwickelt. Im ersten Halbjahr des aktuellen Geschäftsjahres konnte das Unternehmen seinen Gewinn unter dem Strich um 34 Prozent auf 11,5 Millionen Euro steigern, die Erlöse kletterten zeitgleich von 956 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum auf nun 1,5 Milliarden Euro.

Die Geschäfte laufen gut, entsprechend positiv hat sich auch die Adyen-Aktie entwickelt: Innerhalb von zwölf Monaten konnte sich der Anteilsschein fast verdoppeln - dabei sieht die Chartentwicklung deutlich "gesünder" aus als beim deutschen Konkurrenten Wirecard, der seit jeher als volatilste DAX-Aktie galt. Die Pleite des größten Konkurrenten aus dem Nachbarland hatte für Adyen bereits jetzt positive Effekte: Die Adyen-Aktie markierte zwischenzeitlich ein neues Allzeithoch, denn viele Anleger spekulieren darauf, dass viele der Kunden von Wirecard zu den reputativ um Längen besser aufgestellten Niederländern abwandern könnten.

Bezüglich einer Übernahme von Wirecard hat Adyen bereits abgewunken, man habe nicht vor, durch Zukäufe zu wachsen, hieß es von Seiten des Paymentdienstleisters. Das bedeutet aber nicht, dass Adyen nicht auf andere Art von der Wirecard-Pleite profitieren könnte - insbesondere von einem der größten Wirtschaftsgüter der Deutschen, dem Wirecard-Kundenstamm. Dieser umfasst durchaus namhafte Konzerne, so läuft die Abwicklung der Kreditkartenzahlungen des schwedischen Möbelkonzerns Ikea über Wirecard, der Chemieriese BASF gehört ebenfalls zu den Wirecard-Kunden. Auch die US-Kreditkartenanbieter Visa und MasterCard haben bereits angedeutet, ihre Geschäftsbeziehungen zu Wirecard zu überdenken und möglicherweise auf Eis legen zu wollen.

Adyen könnte den Kunden das bieten, was in der Payment-Branche von enormer Bedeutung ist: eine gute Reputation und Vertrauen. Auch ehemalige Wirecard-Anleger könnten ihr neues Zuhause bei Adyen finden, das sehen auch einige Analysten so. Von 23 bei FactSet gelisteten Experten, die die Adyen-Aktie abdecken, empfehlen 11 den Anteilsschein zum Kauf 8 raten zum Halten. Nur 3 raten von Adyen als Investment ab.

Kauft Worldline Einzelteilte auf?

Neben Adyen könnte noch ein weiterer europäischer Konzern von der Wirecard-Pleite profitieren, aber möglicherweise auf andere Art. Dem französischen Bezahldienstleister Worldline wird nachgesagt, Teile von Wirecard kaufen zu wollen. Dabei könnte das Unternehmen auch auf Vermögenswerte ein Auge geworfen haben.

Die Ambitionen der Franzosen im Payment-Markt sind groß: Anfang des Jahres übernahm Worldline seinen heimischen Rivalen Ingenico und schmiedete auf diesem Weg einen europäischen Champion. Auch über Europa hinaus gehört das neue Unternehmen mit einer Präsenz in 50 Staaten der Welt und rund 20'000 Mitarbeitern zu den größten Zahlungsdienstleistern der Welt. Würde Worldline bei Wirecard-Unternehmensteilen zuschlagen, könnte das Unternehmen seine Position weiter ausbauen. Insbesondere der europäische Markt, auf dem es wohl bilanztechnisch keine Unregelmäßigkeiten gab, könnte ins Visier der Franzosen rücken.

Die Worldline-Aktie hat in dem Zeitraum, in dem Wirecard abgerauscht ist, deutlich zulegen können - auf Monatssicht steht ein zweistelliges Plus. Doch Titel der Franzosen haben noch Nachholbedarf, denn ein Überflieger, wie es einst Wirecard war und Adyen heute noch ist, ist der französische Konzern nicht. Innerhalb eines Jahres ging es für Worldline-Aktien um rund 20 Prozent nach oben - aktuell konnte damit gerade die Corona-Delle ausgeglichen werden. Vor diesem Hintergrund glauben auch Analysten, dass bei Worldline noch Luft nach oben ist. Von 18 bei FactSet aufgeführten Experten, die die Worldline-Aktie bewerten, empfehlen 14 die Aktie zum Kauf.

Square auf dem Sprung nach Europa

Das europäische Geschäft von Wirecard könnte jedoch nicht nur für Worldline interessant sein, auch der US-Konzern Square kommt als möglicher Übernahmeinteressent für die Geschäftsaktivitäten in Frage. Das Unternehmen kann eine starke Geschäftsentwicklung vorweisen, im ersten Quartal wuchs der Umsatz um ein Viertel auf 615,9 Millionen US-Dollar. Zudem hat das Unternehmen, das von Twitter-Chef Jack Dorsey geleitet wird, starke Wachstumsambitionen und war zuletzt über seine Cash-App in den Aktienhandel eingestiegen. 2021 will Square mit einer Industriebank an den Markt kommen.

In den USA gehört Square bereits zu den Großen der Branche. Mit seinen liquiden Mitteln in Höhe von mehr als 2,1 Milliarden US-Dollar könnte das Unternehmen seine Position festigen und sogar ausbauen. Insbesondere in Europa, wo Square noch nicht so stark aufgestellt ist wie auf dem Heimatmarkt. Zuletzt hatte der Dorsey-Konzern in Spanien zugeschlagen und die Peer-to-Peer- Zahlungs-App Verse übernommen. Mit der hauseigenen Cash-App war man bislang nur in den USA und Großbritannien aktiv. Geld hat Square für seine Wachstumsambitionen in Europa genug, so dass es durchaus möglich sein wäre, dass man auch bei Teilen von Wirecard zuschlägt. Am Aktienmarkt ging es für Square zuletzt im Zuge starker US-Techwerte massiv nach oben: Die Aktie hat sich innerhalb eines Monats um rund ein Viertel verteuert, was auch im Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Absturz der Wirecard-Aktie und den damit zusammenhängenden Optionen für Square in Europa stehen könnte.

Beim Blick auf die Analystenstimmen zeigt sich bei Square unterdessen kein klares Bild. Von 40 Ratings, die FactSet listet, gibt es nur 15 Kaufempfehlungen und 19 Hold-Ratings. Sechs Analysten empfehlen die Aktien zum Verkauf oder bewerten sie mit "underweight".

Wirecard wohl nicht mehr zu retten

Unabhängig davon, welcher der drei Börsenriesen sich Geschäftsteile oder Kunden von Wirecard sichern wird: Auf eine Wiederauferstehung des Noch-DAX-Konzerns ist wohl nicht zu setzen. Anleger, die die Payment-Branche für zukunftsfähig halten, sollten sich vor diesem Hintergrund einen der ehemaligen Rivalen von Wirecard näher anschauen, die alle auf die eine oder andere Art von dem Desaster um den gefallenen Börsenstar profitieren dürften.

Redaktion finanzen.ch

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Bildquelle: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images,Anton Garin / Shutterstock.com,Wirecard AG

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