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Risikoanalyse 21.05.2022 23:01:00

Nach Terra-Crash: Wie hoch ist das Risiko eines Kursverfalls bei anderen Stablecoins wie Tether, DAI & Co.?

Nach Terra-Crash: Wie hoch ist das Risiko eines Kursverfalls bei anderen Stablecoins wie Tether, DAI & Co.?

Das Fiasko um TerraUSD ist an den Kryptomärkten noch nicht ausgestanden. Anleger sorgen sich um das Konstrukt Stablecoin und blicken mit Sorge auf Tether & Co. Doch Stablecoin ist nicht gleich Stablecoin.

• TerraUSD-Crash hat die Kryptomärkte geschockt
• Stablecoins unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Besicherung
• Auch besicherte Stablecoins nicht risikofrei

Der in diesem Jahr ohnehin schwer gebeutelte Kryptomarkt hatte in der vergangenen Woche einen massiven Tiefschlag zu verkraften: Der TerraUSD (UST) verpasste dem Markt für digitale Währungen einen Schock, als er innerhalb weniger Tage im Windschatten der zugehörigen Kryptowährung LUNA abstürzte und seine Bindung an den US-Dollar aufgeben musste. Dabei waren die Entwickler hinter TerraUSD mit dem Versprechen angetreten, einen stabilen Coin zu bilden. Doch der dezentrale Stablecoin ist mit LUNA-Token verknüpft - und kollabierte.

Der konkrete Plan der Entwickler sah vor, mit dem UST einen algorithmischen Stablecoin zu etablieren. Gebunden werden sollte der UST an den US-Dollar, um ihn zum Greenback stabil zu halten, sollen so viel LUNA-Coins vernichtet, wie UST geschaffen werden. Doch ein massiver Abverkauf brachte das Gleichgewicht ins Wanken und führte das System ad absurdum: Um den Stablecoin zu stabilisieren, mussten massiv LUNA-Coins geschaffen werden - eine Hyperinflation war die Folge. Anleger reagierten panisch und verstärkten den Abwärtsdruck zusätzlich, auch Leerverkäufe sollen die Lage verschärft haben. Zwar versuchte sich die Luna Foundation mit einer Liquidierung von Bitcoin-Reserven an einem Rettungsversuch, doch der Schaden war angerichtet.

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Das Debakel sendete Schockwellen in den gesamten Kryptomarkt und brachte auch Urgesteine wie Bitcoin und Ethereum massiv unter Druck. Auch der üblicherweise konstant notierende Stablecoin Tether rutschte zeitweise unter 0,95 US-Dollar, weil Anleger in Panik alles abstiessen, was nach Krypto aussah.

Doch wie gross ist die Gefahr, die von Stablecoins ausgeht, wirklich? Immerhin war der Terra-Stablecoin UST vor dem Crash mit einem Wert von rund 20 Milliarden US-Dollar neben Tether und USD Coin, der drittgrösste Stablecoin am Kryptomarkt.

Stablecoin ist nicht gleich Stablecoin

Um einschätzen zu können, ob auch für andere Stablecoins die Gefahr besteht, dass sich die Ereignisse um Terras UST wiederholen, ist ein genauer Blick auf das Konstrukt Stablecoin nötig. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene mögliche Stablecoin-Varianten: Fiat-besicherte Stablecoins, Krypto-besicherte Stablecoins und algorithmische Stablecoins.

Fiat-besicherte Stablecoins

Als prominentestes Beispiel für Fiat-besicherte Stablecoins, also Coins, die durch Fiat-Währungen gedeckt sind, gilt der Tether. Der Coin ist durch den US-Dollar physisch hinterlegt, jeder einzelne Tether ist durch ein Äquivalent in US-Dollar gestützt. Das Unternehmen, das hinter Tether steht, hält also Vermögenswerte und gibt dafür digitale Token aus und verspricht: Jeder Tether ist mit echtem Fiat-Geld besichert. So könne der Stablecoin als Bindeglied zwischen realem Geld und Internetwährungen fungieren. Tether ist keine klassische Internetwährung, sondern ermöglicht es Anlegern, ihre Dollar zwischenzuparken, um dann weiter am Kryptomarkt agieren zu können.
Daher galten Fiat-besicherte Stablecoins in der Vergangenheit als verhältnismässig sichere Kryptowährungsalternative, sorgten sie doch in einem sonst stark volatilen Markt für Stabilität.

Doch das System ist nicht frei von Risiken. Tether musste sich in der Vergangenheit häufig insbesondere für seinen zentralisierten Ansatz Kritik gefallen lassen, schliesslich müssen Anleger dem Unternehmen, das hinter Tether steht, und dessen Versprechungen, genügend Vermögenswerte zur Besicherung der Coins zu besitzen, glauben. Tatsächlich mussten sich die Tether-Entwickler wegen Falschaussagen bereits vor Gericht verantworten und wurden zu einer Millionenstrafe verdonnert: Denn der Tether ist nicht wie kommuniziert mit eigenen Bargeldbeständen gedeckt. Seitdem wurde die Besicherung des Coins deutlich transparenter kommuniziert, im Rahmen regelmässiger Transparenzberichte. Aus denen geht hervor, dass zuletzt 83,74 Prozent der Reserven aus Cash, Cash-Äquivalenten, kurzfristigen Einlagen und kurzfristigen, unbesicherten Schuldtiteln bestehen, der Rest aus Unternehmensanleihen, Fonds & Edelmetallen, besicherten Darlehen und "anderen Investments (inklusive Kryptowährungen)". Interessant ist ein Blick auf die Zusammensetzung der Cash-Reserven: Der reine Fiat-Cash-Anteil beträgt nämlich nur rund 6,3 Prozent, Schatzwechsel machen mit 52,41 Prozent den grössten Teil der Cash-Reserven aus, 36,7 Prozent kommen aus Geldmarktpapieren und Einlagenzertifikaten, 4,5 Prozent kommen aus Geldmarktfonds.

Angesichts der finanziellen Reserven, die Tether nun deutlich transparenter offenlegt, ist das System des fiat-besicherten Stablecoins zwar nicht risikofrei, doch aber vom Risiko her deutlich überschaubarer. Tether selbst verteilte infolge des Terra-Crashs auch Beruhigungspillen an Kryptoanleger. Man sei in der Lage, die Bindung an den US-Dollar aufrecht zu erhalten, auch wenn andere Stablecoins fallen, erklärte das Unternehmen in einem Blogpost.

Terra werde zwar als Stablecoin bezeichnet, habe aber nichts mit besicherten Stablecoins wie Tether gemeinsam, heisst es in einer Stellungnahme. Tether USDT gelte seit vielen Jahren als primäre Form der Dollar-basierten Liquidität auf dem Kryptomarkt, und der Kryptomarkt habe in diesem Zeitraum diverse dramatische Einbrüche erlebt. Zwar sei es in der Vergangenheit auf dem Markt einige wenige Male dazu gekommen, dass der Tether-Wert unter die Marke von 1 US-Dollar gefallen sei, dies bedeute aber nicht, dass in einem solchen Fall USDT nicht mehr 1:1 durch Reserven gedeckt sei oder dass die Bindung an USDT verloren gehe. Es zeige stattdessen, dass der Verkaufsdruck an den Börsen die begrenzte Liquidität an dieser Börse überschritten habe, heisst es in dem Blogeintrag weiter.

Krypto-besicherte Stablecoins

Auch Krypto-besicherte Stablecoins agieren nach einem ähnlichen Prinzip wie Stablecoins, die mit Fiat-Währungen hinterlegt sind. Als Sicherheit dienen in diesem Fall aber Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum. Das macht sie anfälliger für Schwankungen am teils deutlich volatilen Kryptomarkt, bietet aber gleichzeitig den Vorteil der Dezentralität: Krypto-besicherte Stablecoins werden nicht von einem Unternehmen verwaltet, stattdessen werden die Sicherheiten in Smart Contracts hinterlegt.

Im Fall von DAI, dem Stablecoin, der von dem kalifornischen Startup MakerDAO entwickelt wurde, wurde der Coin auf der Ethereum-Plattform aufgesetzt, die Entwickler haben also grosse Mengen ETH an einen Smart Contract gebunden, um ihren DAI-Coin zu besichern. Um die starken Schwankungen am Kryptomarkt auszugleichen, nutzt MakerDAO das Konzept der "Übersicherung", so dass der Umtauschkurs von ETH in DAI nicht genau 1:1 ist. Das Ethereum-Token Maker gilt dabei als "Diensttoken", das den Stablecoin DAI, der an den US-Dollar gebunden ist, generiert.

Der DAI-Stablecoin ist nach dem Zusammenbruch von TerraUSD die Nummer 1 unter den dezentralisierten Stablecoins. "Dies steht in direktem Zusammenhang mit der Explosion von UST", zitiert Bloomberg Henry Elder, Leiter der dezentralen Finanzierung beim Vermögensverwalter Wave Financial. "UST implodierte ziemlich genau in dem Moment, als die Nachfrage abflachte, und machte Maker vorerst zum unangefochtenen König der dezentralen Stablecoins."

Algorithmische Stablecoins

Zur dritten Gruppe der Stablecoins, den so genannten unbesicherten oder algorithmischen Stablecoins, zählt auch der TerraUSD. Auch hier sieht das Konzept vor, dass der Coin eine Fiat-Währung 1:1 abbilden soll, allerdings werden hierfür keine physischen Sicherheiten sondern Blockchain-basierte Mechanismen benutzt, um für Stabilität zu sorgen.

Dabei wird die Umlaufmenge der Coins durch einen Algorithmus angepasst, indem entweder neue Coins erzeugt werden, oder - wenn die Nachfrage geringer ist - so viele Coins aufgekauft werden, bis die Bindung an die Fiat-Währung und eine Paritätsannäherung wieder erreicht ist. Die aufgekauften Coins werden in der Regel vernichtet. Dieses System agiert dezentral, die Regulierung des Kurses erfolgt auf automatisiertem Weg und wird nicht durch eine Partei künstlich beeinflusst. Ausschliesslich der Algorithmus ist dafür zuständig, das Angebot an verfügbaren Coins zu steuern.

Im konkreten Fall von TerraUSD wurde im Zusammenspiel mit LUNA ein duales Tokensystem geschaffen. Der Preis von UST wurde beeinflusst, indem für den gleichen Nennbetrag, für den UST geschaffen wurde, LUNA Coins vernichtet werden. Da das garantierte Tauschverhältnis von TerraUSD und LUNA stets 1:1 war, ergaben sich für Anleger Arbitrage-Optionen, sobald Parität zum US-Dollar nicht mehr gegeben war. Der Crash wurde schlussendlich genau durch diesen Fall ausgelöst: Als der UST weniger als 1 US-Dollar wert war, lösten Anleger Positionen auf, Panik trat ein und das Vertrauen in die Stabilität des Coins sackte ab. Das führte zu weiteren Verkäufen, zeitgleich erhöhten sich die Spreads für den Tausch von UST in LUNA Coins. Anleger tauschten in Massen ihre UST in LUNA Coins, es kam zu einer Hyperinflation, da LUNA in Massen neu geschaffen werden mussten.

So gefährlich sind Stablecoins

Der Fall von TerraUSD zeigt die Risiken Algorithmus-basierter Stablecoins auf. Der Kollaps des UST-LUNA-Ökosystems gilt als kritischer Schlag für das Konzept unbesicherter Stablecoins. Denn Fälle wie eine kurzfristige Unterschreitung der Parität zur gebundenen Fiat-Währung werden immer wieder auftreten - vorherzusagen, ab wann das System kollabiert, ist schwer.

Das Risiko für Anleger ist ungleich höher als bei fiat-besicherten Varianten wie dem Tether. Ein Kollaps wie bei UST ist bei Tether allerdings zwar wenig wahrscheinlich, aber ebenfalls nicht unmöglich. Denn insbesondere die zentralisierte Ausgabe und die weitgehend fehlende Regulierung der hinter dem Tether stehenden Organisation wird von Kritikern immer wieder aus Argument gegen den Fiat-besicherten Stablecoin ins Feld geführt. Schliesslich agiert Tether Limited quasi als Bank, ohne aber dass eine staatliche Sicherung, wie bei echten Banken, existiert. Das System basiert dabei auf Vertrauen: Ist der Stablecoin tatsächlich ausreichend gedeckt und was muss passieren, dass das System kollabiert?

Kommt es tatsächlich zu einem Crash bei Tether, ist zudem damit zu rechnen, dass sich die Folgen nicht nur auf den Kryptomarkt erstrecken dürften. Denn Tether gilt auch als mögliche Gefahr für den Finanzmarkt, wie die Ratingagentur Fitch bereits vor rund einem Jahr konstatierte. Insbesondere das Wachstum der Stablecoins, die durch Vermögenswerte gedeckt sind, gilt den Kreditwächtern zufolge als Risiko für eine mögliche Destabilisierung der kurzfristigen Kreditmärkte, insbesondere wenn es zu einer "plötzlichen Massentilgung beim USDT" komme.

Stablecoins sind also - wie alle Kryptoinvestments - nicht risikofrei. Unterscheiden müssen Anleger bei einem möglichen Investment aber zwischen besicherten und unbesicherten Varianten, die sich auch hinsichtlich der Risikowahrscheinlichkeit unterscheiden. Ein Crash von Tether und anderen Fiat- oder Krypto-besicherten Coins ist nicht ausgeschlossen, unter den Stablecoins gelten diese Coins aber als risikoärmere Vertreter ihrer Anlageklasse.

Redaktion finanzen.ch

Dieser Text dient ausschliesslich zu Informationszwecken und stellt keine Anlageempfehlung dar. Die finanzen.net GmbH schliesst jegliche Regressansprüche aus.

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