Rigide |
16.11.2016 12:45:13
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«5 Prozent sind nicht mehr zeitgemäss»
Strenge Finanzierungsvorschriften lassen den Traum eines Eigenheims oft platzen. Daran stört sich auch Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff und erklärt, wie sich das ändern könnte.
Die Schweiz ist ein Volk von Mietern, lautet der Spruch. Dennoch wünschen sich viele hierzulande eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus. Dieser Wunsch ist heutzutage für viele Menschen unerreichbar. Denn besonders in der Nähe der Zentren sind die Häuserpreise in den letzten Jahren massiv angestiegen. Gleichzeitig hat der Bund aus Angst vor einer Preisblase am Immobilienmarkt die Finanzierungsvorschriften für den Hauskauf verschärft.
Die hohen Preise und strengen Vorgaben verunmöglichen vielen Normalverdienenden, ein Haus zu kaufen. Aus Sicht der Bank Raiffeisen sind diese Vorschriften für die Hypothekenvergabe in Zeiten von Negativzinsen unnötig streng. Konkret stört sich Chefökonom Martin Neff am kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent: Banken dürfen Hypotheken nur vergeben, wenn die laufenden Kosten inklusive dem Zins nicht mehr als ein Dittel des Bruttoeinkommens ausmachen.
«Zinsänderungsrisiko ist kontrollierbar»
Neff schlägt vor, diesen Zinssatz auf drei Prozent zu senken. Aus Sicht des Chefökonomen ist dies angesichts der derzeit günstigen Langzeithypotheken kein Risiko: Wegen der Zinsdifferenz hätten viele Hauskäufer genügend Geld zu Verfügung, mit welchem sie über zehn bis fünfzehn Jahre die Schuld teilweise abzahlen könnten. «Das Zinsänderungsrisiko ist auf längere Zeit kontrollierbar.» Gegenüber handelszeitung.ch hat Neff seinen Vorschlag erläutert:
Wieso sollte der Bund die Finanzierungsregeln für Wohneigentum lockern?
Martin Neff: Es ist opportun angesichts der aktuellen Marktsituation. Sie ist geprägt durch extrem hohe Immobilienpreise und extrem günstige Finanzierungskonditionen. Die Aufsicht betont seit Jahren nur die Risiken der tiefen Zinsen. Die Vorteile werden aber ignoriert: Viele Menschen hätten wegen der tiefen Zinsen heute die Chance, sich Wohneigentum zu leisten.
Viele Familien können sich kein Haus leisten, weil die Finanzierungsregeln zu starr sind?
Das ist im Moment so, seit rund fünf Jahren. Ein durchschnittlicher Haushalt mit rund 125'000 Franken Bruttoeinkommen pro Jahr kann sich nur relativ kleine Objekte leisten. Solche, welche sich für Familien eignen, gehören sicher nicht dazu.
Die vorgeschriebenen fünf Prozent sind zu hoch?
Ja, sie entsprechen nicht den heutigen Marktkonditionen. Ein Haushalt muss heute den «Worst Case» abdecken, obwohl er die Immobilie drei- bis viermal günstiger finanzieren könnte. Das ist ganz klar nicht mehr zeitgemäss.
Mit wie vielen zusätzlichen Käufern rechnen Sie, wenn die Grenze auf drei Prozent sinken würde?
Wir reden hier von einer Grössenordnung von 15'000 bis 20'000 Leuten. Nicht jeder Schweizer will Wohneigentum.
Die Bank Raiffeisen ist der grösste Immobilienfinanzierer in der Schweiz. Machen Sie diesen Vorschlag aus Eigeninteresse?
Das kann man uns unterstellen. Unsere Überlegung ist aber eine andere. Die Negativzinsen haben ganz viele Nebenwirkungen, welche man in Kauf nimmt. Genau in dem Segment, wo die Risiken am tiefsten sind - beim selbstgenutzten Eigentum - klemmt man aber ab. Das ist eigentlich paradox. Es besteht ein öffentliches Interesse an tieferen Finanzierungshürden.
Wie sind die politischen Chancen, dass es eine Lockerung gibt?
Ich hoffe, sie sind intakt. Das Thema wird gerne totgeschwiegen. Dabei ist Wohneigentumsförderung ein Auftrag welche der Bund in der Verfassung hat. Dieses Ziel wird heute nicht verfolgt, im Gegenteil.
* Martin Neff ist seit April 2013 Chefökonom der Bank Raiffeisen.
Autor: Marc Bürgi
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