Milliarden-Potenzial |
22.01.2020 21:29:00
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Veggie-Aktien: Nestlé, Unilever oder Beyond Meat? Was Anleger unbedingt wissen müssen
Längst ist der Hype um vegane Nahrungsmittel auch an der Börse angekommen. Nicht nur neue Player bestimmen das Marktgeschehen, auch traditionelle Unternehmensriesen wollen ein Stück von dem möglichen Milliardenmarkt. Doch machen die jungen Wilden das Rennen oder können sich Nestlé und Co. behaupten?
• Auch Unternehmensriesen wie Unilever und Nestlé wollen ein Stück vom veganen Kuchen
• Unternehmen stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen
Das US-Startup Beyond Meat hat die Börse 2019 kräftig aufgemischt. Nach dem Börsengang Anfang Mai hat die Aktie eine wahre Kursrally aufs Parkett gelegt. Das Interesse der Anleger, aber insbesondere auch die steigende Nachfrage nach Fleischersatzlösungen, hatte den Anteilsschein in der Spitze bis auf 239,71 US-Dollar getrieben - zum Ausgabepreis von 25 US-Dollar ein massives Plus von fast 859 Prozent. Bereits der Erstkurs hatte bei 46 US-Dollar gelegen. Inzwischen ist die Beyond Meat-Aktie in ruhigeren Gefilden angekommen, kann bei Kursen von rund 109 US-Dollar aber immer noch eine deutlich positive Performance vorweisen. Doch der Pionier ist längst nicht mehr allein auf weiter Flur, schon haben etablierte Marktplayer ein Auge auf das lukrative Wachstumssegment der veganen Lebensmittel geworfen. Wo die besten Aussichten für Markteilnehmer zu finden sind.
Nestlé - Unternehmensgigant mit besseren Voraussetzungen?
Einen großen Stück vom (veganen) Kuchen erhofft sich der Lebensmittelriese Nestlé. Der Konzern hat bereits einen pflanzlichen Burger auf den Markt gebracht. Daneben ist der unter der Dachmarke "Garden Gourmet" gelistete "Incredible Burger" vegan, kommt also komplett ohne tierische Zusätze aus.
Mit dem Incredible Mince hat Nestlé darüber hinaus auch ein veganes Hackfleischprodukt im Programm, kürzlich folgten pflanzliche Würstchen, die Sweet Earth Sausages. Diese sollen ab März in Europa und einen Monat später auch in den Vereinigten Staaten zu kaufen sein. In Folge peilt das Unternehmen eine Version für Restaurants und Lieferdienste an.
Exakt die gleichen Produktgruppen - einen Burger, eine fleischlose Hackfleischvariante und Würstchen - gehören auch zur Angebotspalette von Beyond Meat. Doch gegenüber dem Startup aus den USA haben die Schweizer einige Vorteile. Nicht nur verfügt Nestlé im Lebensmittelmarkt über eine weltweite Vertriebsstruktur, die seinesgleichen sucht. Damit kann Nestlé seine Produkte in verhältnismäßig kurzer Zeit global launchen. Zudem hat er etablierte Traditionskonzern gegenüber den Neulingen im Markt auch weitere Vorteile: Das Unternehmen kann deutlich schneller auf eine steigende Nachfrage reagieren, während etwa Beyond Meat insbesondere in den Anfangsmonaten immer wieder Lieferengpässe zu vermelden hatte.
Das macht Nestlé als Zulieferer für andere Unternehmen attraktiv, insbesondere dann, wenn diese auf große Mengen angewiesen sind. In Europa beliefern die Schweizer bereits den Fast Food-Riesen McDonald’s, auf dem Big Vegan TS des US-Unternehmens findet sich der Incredible Burger der Schweizer.
Beyond Meat hingegen arbeitet in Nordamerika mit dem Fastfoodkonzern zusammen, dort wird der P.L.T. (Plant. Lettuce. Tomato.)-Burger verkauft. Da McDonald’s bestrebt ist, dass alle seine Produkte überall auf der Welt gleich schmecken, könnte es schon bald zu einer erzwungenen Entscheidung kommen, wer künftig die Burgerpatties für den veganen McDonald’s-Burger liefern darf. Aufgrund der schieren Größe und globalen Verbreitung von McDonald’s könnte der Zuschlag an Nestlé gehen, denn den hohen Bedarf kann ein globaler Player wie der Schweizer Lebensmittelriese möglicherweise verlässlicher decken als ein Startup in der Wachstumsphase. Denkbar ist aber auch, dass McDonald’s mittel- bis langfristig mehr als einen Veggie-Burger im Angebot hat - dann könnten sowohl Beyond Meat als auch Nestlé von den Fastfood-Kunden des US-Konzernriesen profitieren.
Die Größe der Schweizer ist jedoch nicht per se ein Vorteil. Denn Nestlé ist zwar ein riesiger Lebensmittelgigant mit einem etablierten Geschäftsmodell, der aktuelle Trend zu gesunder Ernährung und das steigende Umweltbewusstsein der Menschen - auch im Zusammenhang mit ihrer Ernährung - zwingt auch den weltgrößten Nahrungsmittelkonzern zum Umdenken und zur Anpassung des eigenen Geschäftsmodells. So investierten die Schweizer zuletzt Milliarden in die Entwicklung nachhaltiger Verpackungslösungen und haben darüber hinaus kürzlich die Mehrheit an der Wurstmarke Herta an den spanischen Lebensmittelkonzern Casa Tarradellas verkauft. Zuvor war bereits das US-Süßwarengeschäft verkauft worden, Zukäufe erfolgten insbesondere im Bereich pflanzenbasierte Ernährung.
Unilever - schwerfälliger Riese?
Auch der niederländisch-britische Lebensmittelkonzern Unilever hat den Einstieg in den Markt für fleischfreie Produkte gewagt. Dabei konnte das Unternehmen gleich eine weitreichende Kooperation an Land ziehen: Der Burgerbrater Burger King wird in seinen Filialen einen Burger aus Fleischersatz verkaufen: Den "Rebel Whopper". Dabei greifen die US-Amerikaner in Europa auf Unilever und dessen fleischfreie Marke "The Vegetarian Butcher" zurück.
Als milliardenschwerer Konzern mit weltweitem Vertriebsnetz ist Unilever gegenüber Beyond Meat allein wegen seiner Größe im Vorteil. Nicht nur verfügt das europäische Unternehmen über die bessere finanzielle Ausstattung, einen längeren Wettbewerb durchzustehen, darüber hinaus kann Unilever auch eine globale Reichweite vorweisen, die Beyond Meat erst aufbauen muss.
Doch das US-Startup hat auch Vorteile gegenüber dem Lebensmittelgiganten Unilever: Beyond Meat verfügt über Expertise im Bereich Fleischersatzprodukte, die sich Unilever erst aneigenen oder zukaufen muss. Darüber hinaus ist die schiere Größe von Unilever auch ein Nachteil, denn das Unternehmen kann so weniger flexibel reagieren, wenn sich etwa der Geschmack der Konsumenten ändert oder der Bedarf nach anderen Produktgruppen spontan entsteht.
Dieses Problem hat auch Konkurrent Nestlé: Der schwerfällige Schweizer Konzernriese muss seine Produktpalette angesichts der zunehmenden Nachfrage nach zuckerarmen, gesünderen Lebensmittelalternativen zumindest teilweise modifizieren. Der Trend zu ausgewogenerer und nachhaltig hergestellten Lebensmitteln haben Nestlé und Unilever zuletzt dazu gezwungen, Geschäftsbereiche auf den Prüfstand zu stellen und das eigene Geschäftsmodell im Hinblick auf die steigende Nachfrage nach vegetarischen und veganen Produkten zu überdenken.
"Pflanzenbasierte Ernährung ist ein Megatrend. Deshalb ist es unsere wichtigste Aufgabe, innerhalb der Kernmarken für vegane und vegetarische Alternativen zu sorgen", sagte Unilever-Chef Alan Jope im Interview mit der "Financial Times". Ein Schritt in diese Richtung war der Kauf von "The Vegetarian Butcher", das Unternehmen hat sich inzwischen als fleischfreie Marke im Unternehmensverbund etabliert.
Wachstumsaussichten: Der Punkt geht an Beyond Meat
In Sachen Wachstum hat unterdessen der US-Konzern Beyond Meat im direkten Vergleich die Nase vorn. Im dritten Quartal hat der Börsenneuling seine Umsätze um 250 Prozent auf 92 Millionen US-Dollar gesteigert. Zudem schrieb der Hersteller von Fleischersatzprodukten mit einem Gewinn von 4,1 Millionen Dollar schwarze Zahlen - vor Jahresfrist war unter dem Strich noch ein Verlust von 9,3 Millionen Dollar angefallen. Für das Gesamtjahr 2019 hat Beyond Meat zudem seinen Ausblick angehoben und rechnet nun mit Erlösen von 275 Millionen Dollar.
Die Wachstumsaussichten bleiben also gut.
Bei Nestlé lief es im dritten Quartal ebenfalls gut - wenn auch das Wachstumstempo mit einem Umsatzplus von 3,7 Prozent größenbedingt deutlich unter dem von Beyond Meat lag. Damit traf der Schweizer Konzern in etwa die Erwartungen der Analysten. Mit Erlösen von 68,4 Milliarden Franken setzte das Unternehmen aber auch deutlich mehr um, als das US-Startup. Im Gesamtjahr peilt Nestlé weiter ein organisches Umsatzwachstum um die 3,5 Prozent und eine zugrunde liegende operative Ergebnismarge von 17,5 Prozent oder höher an. Mittelfristig sollen die Kosten um bis zu 2,5 Milliarden Franken gesenkt werden, danach will man organisch im mittleren einstelligen Prozentbereich wachsen.
Vergleichsweise am schwächsten präsentierte sich zuletzt der britisch-niederländische Unilever-Konzern. Mit einem abgeschwächten organischen Wachstum im dritten Jahr hatte das Unternehmen seine Anleger bereits enttäuscht, im Dezember folgte dann der nächste Schock: Unilever ruderte bei der Wachstumsprognose zurück. Das Wachstum aus eigener Kraft dürfte im Jahr 2019 leicht unterhalb der vorherigen Prognose liegen. Ursprünglich hatte Unilever für das abgelaufene Jahr ein Erreichen der unteren Hälfte der mehrjährigen Zielspanne von 3 bis 5 Prozent auf dem Zettel.
Das sagen Analysten
Wachstumsstar Beyond Meat wird bei Analysten durchaus unterschiedlich bewertet. Mit einem durchschnittlichen "Hold"-Rating bei FactSet und einem durchschnittlichen Kursziel von 160,14 Dollar - 46 Prozent oberhalb des aktuellen Börsenkurses - gehört die Aktie des Börsenneulings noch immmer zu den größten Expertenlieblingen. Größter Bulle unter den Beyond Meat-Analysten ist Jefferies: Mit einem Kursziel von 190 US-Dollar liegt dessen Experte Kevin Grundy über den Schätzungen seiner Kollegen.
Der Schweizer Nestlé-Konzern wird von Analysten tendenziell mit einem "Buy"-Rating belegt. Durchschnittlich vergeben Experten für die Aktie des weltgrößten Lebensmittelkonzerns ein Kursziel von 110,432 Schweizer Franken, womit der Anteilsschein zum aktuellen Börsenkurs noch rund drei Prozent Luft nach oben hätte. Zuletzt hatte unter anderem die US-Bank Goldman Sachs ihre Kaufempfehlung für den Anteilsschein bestätigt und das Kursziel bei 115 Franken belassen. Weniger Optimismus legt daneben die Schweizer Credit Suisse an den Tag: Die Analysten der Bank haben die Aktie auf "Underperform" mit einem Kursziel von 93 Franken bewertet.
Wenig einig zeigten sich zuletzt Experten für den Anteilsschein von Unilever: Von 25 bei Factset erfassten Analysten bewerten 11 die Aktie des Nahrungsmittelkonzerns positiv, 12 vergeben ein "Hold"-Rating und vier Experten empfehlen, den Anteilschein zu verkaufen. Das mittlere Kursziel liegt bei 55,54 Euro, damit hätte die Unilever-Aktie noch rund neun Prozent Luft nach oben. Während Goldman Sachs auf eine Verbesserung der operativen Marge setzt, sind die Experten von RBC alles andere als überzeugt von der Unilever-Aktie und hatten ihr Kursziel zuletzt von 42 auf 40 Euro gesenkt.
Fazit: Der Markt ist groß
Der Markt für vegetarische und vegane Produkte ist potenziell milliardenschwer. Sowohl Beyond Meat als auch Nestlé und Unilever haben die Zeichen der Zeit erkannt und sich in diesem Segment positioniert. Entscheidend dürfte neben der Qualität der Produkte insbesondere auch die Kooperation mit großen Konzernen aus dem Bereich Systemgastronomie bleiben. Wer einen großen, global agierenden Partner im Boot hat, kann auf eine größere Verbreitung seiner Produkte hoffen. Bei der finanziellen Ausstattung haben die Lebensmittelriesen eindeutig die Nase vorn, ebenso bei der Reichweite. Beim Wachstum liegen die deutlich besseren Aussichten hingegen bei Beyond Meat, was sich auch in der Aktienbewertung wiederspiegelt, die einige Marktteilnehmer und Experten bereits für zu ambitioniert halten.
Daneben haben Nestlé und Unilever aber teils mit Imageproblemen zu kämpfen, die das auf den veganen Mark spezialisierte Beyond Meat nicht kennt. Hier herrscht Handlungsbedarf bei den Konzernriesen.
Redaktion finanzen.ch
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