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Betrug oder Missmanagement? 13.12.2022 23:36:00

Zweifel an Sam Bankman-Frieds Misswirtschaft-Darstellung: FTX-Gründer unter massivem Beschuss

Zweifel an Sam Bankman-Frieds Misswirtschaft-Darstellung: FTX-Gründer unter massivem Beschuss

Die Pleite der zweitgrössten Kryptobörse FTX hat Kryptoanleger geschockt. Im Nachgang des Insolvenzantrages kommen immer mehr Details ans Licht, die Beobachter daran zweifeln lassen, dass reines Missmanagement für die Ereignisse verantwortlich war.

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• Debakel um FTX wird aufgearbeitet
• Zweifel an SBFs Misswirtschaft-Darstellung
• Unter Umständen keine Strafe für FTX-Gründer

"Noch nie in meiner beruflichen Laufbahn habe ich ein derartiges Versagen der Unternehmenskontrolle und ein derartiges Fehlen vertrauenswürdiger Finanzinformationen erlebt wie in diesem Fall", heisst es in einem Schreiben von John J. Ray an das US-Insolvenzgericht in Delaware. John J. Ray ist neuer Chef der Kryptobörse FTX und soll als Nachfolger von FTX-Gründer Sam Bankman-Fried (SBF) die Restrukturierungsbemühungen des Unternehmens unter Chapter 11 leiten und begleiten. Ray gilt als Experte in seinem Bereich und hat zuvor bereits unter anderem die Insolvenz des Energiekonzerns Enron betreut. Seine Einschätzung der Unternehmenslage von FTX hat daher einiges an Gewicht und wirft kein gutes Licht auf die vorherige Unternehmensführung.

SBF will von nichts gewusst haben

Bankman-Fried hat in einer Reihe öffentlicher Auftritte Stellung zu den Vorwürfen und den Ereignissen um FTX genommen. Im Rahmen des New York DealBook Summit sprach er sich selbst von Betrugsvorwürfen frei. "Ich habe viele Fehler gemacht, aber nie versucht, Betrug zu begehen", so der 30-Jährige im Interview.

Es sei das Risikomanagement gewesen, das versagt habe, es habe bei der Kryptobörse keine Person gegeben, "die das Risiko unserer Positionen überwacht hat". Zudem hätte man angesichts zahlreicher Zweigstellen den Überblick über einzelne Firmen verloren. Ganz frei von Verantwortung sieht sich SBF im Rahmen des Interviews aber nicht: Er hätte gründlicher arbeiten können, "wäre ich etwas konzentrierter bei der Sache gewesen", hätte er die bestehenden Risiken auch erkannt.

Inzwischen wurde bekannt, dass FTX - entgegen der Beteuerungen des ehemaligen CEO - mit Kundengeldern spekulierte. Auch das ebenfalls von Bankman-Fried gegründete Trading-Unternehmen Alameda, dessen bekannt gewordene Finanzstruktur als ursächlicher Auslöser für die FTX-Pleite gilt, gerät vor diesem Hintergrund ins Kreuzfeuer der Kritik. Dort sind offenbar Kundengelder im Milliardenwert verschwunden. Wie das Wall Street Journal berichtet, sei es in den Anfangstagen von FTX üblich gewesen, dass Kunden ihr Geld bei Alameda einzahlten, da FTX noch keine eigenen Bankkonten besessen habe. SBF bezifferte die Summe der insgesamt auf Alameda-Konten eingezahlten Kundengelder auf fünf Milliarden US-Dollar.

Was dann mit den Geldern passiert sei, könne er nicht sagen. Die Transaktionen seien an Alameda gegangen und er könne nur spekulieren, was danach geschah. US-Dollar liessen sich aufgrund der fehlenden eindeutigen Kennung nicht bis zum Ende zurückzuverfolgen, man erhalte am Ende "eine Sammlung verschiedenster Vermögenswerte".

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Er sei aufgrund eines fehlerhaften internen Systems von FTX nicht in der Lage gewesen, den Umfang zu erkennen, den Alamedas Geschäfte an der Börse ausmachten. Zudem habe ihn seine Arbeit bei FTX und in anderen Projekten so eingebunden, dass er Alamedas Geschäfte nicht habe überwachen können.

In einem Interview mit Bloomberg nahm SBF dann nochmals Bezug auf verschwundene Kundengelder - inzwischen war sogar von acht Milliarden US-Dollar die Rede. "Buchungsfehler.", so die knappe Antwort des Ex-FTX-Chefs. Manche FTX-Kunden hätten ihr Geld zeitweise an Alameda statt an FTX überwiesen - auch, weil Banken eher zur Zusammenarbeit mit Alameda als mit FTX bereit gewesen seien. Das interne Buchhaltungssystem habe das Geld dann doppelt gezählt und beiden Firmen zugeschrieben.

Betrugsvorwürfe gegen SBF

Die Kommentare und Interviews von Bankman-Fried lassen auf Missmanagement, nicht aber vorsätzlichen Betrug schliessen. Einige Beobachter sehen dies aber grundsätzlich anders. Insbesondere die Darstellung von SBF, es habe sich um "Buchungsfehler" gehandelt, wird kritisch betrachtet.

Alamedas frühere Chefin, Caroline Ellison, räumte Presseberichten zufolge nach dem Zusammenbruch von FTX gegenüber Alameda-Mitarbeitern ein, dass sowohl Bankman-Fried als auch andere Mitglieder der Führungsebene darüber informiert gewesen seien, dass Kundengelder an Alameda gezielt umgeleitet wurden. Damit habe man die Verluste decken wollen, die durch die Folgen des Terra/LUNA-Crashs im Juni entstanden waren.

Alameda und FTX schieben sich die Schuld an dem Debakel also gegenseitig in die Schuhe, für andere Beobachter ist der Schuldige an der Implosion von FTX und Alameda aber klar: Sam Bankman-Fried. Brian Armstrong, CEO von Coinbase, will dessen Buchungsfehler-Argument nicht gelten lassen.

Nicht mal der Naivste solle den Worten von Sam glauben, dass es sich um einen Buchungsfehler handele. "Es ist mir egal, wie chaotisch deine Buchhaltung ist (oder wie reich du bist). Du wirst es auf jeden Fall merken, wenn du zusätzliche 8 Milliarden US-Dollar zum Ausgeben findest", so Armstrong in einem Twitter-Beitrag, der viel Zustimmung erfuhr.

"Es sind schlicht und einfach gestohlene Kundengelder, die in seinem Hedgefonds verwendet wurden", legte Armstrong in den Kommentaren zum Tweet nach.

Weitere Zweifel an SBF-Argumentation

David Z. Morris, Kolumnist bei Coindesk, jenem Portal, das durch seinen Bericht über das Verhältnis von Alameda und FTX und die Kapitalausstattung des FTX-Tradingarms die Lawine um FTX erst ins Rollen gebracht hatte, hat noch eine Reihe weiterer Argumente gesammelt, die für einen gezielten Betrug durch Sam Bankman-Fried sprechen. So seien nicht nur die beiden vermeintlich eigenständigen Firmen enger verbunden gewesen als gedacht, zudem habe es zwischen SBF und der Alameda-Chefin Ellison eine romantische Beziehung gegeben, was die Ereignisse wohl ermöglicht habe.

Zudem hätten On-Chain-Daten ergeben, dass FTX bereits Ende 2021 in grossem Stil Gelder zu Alameda umgeleitet hätte - lange vor dem Terra/LUNA-Crash. "Seine Unternehmen verloren enorme Geldbeträge, bevor der Krypto-Bärenmarkt 2022 überhaupt begann. Sie haben möglicherweise schon lange vor den Explosionen von Terra und Three Arrows Capital, die so viele andere fremdfinanzierte Krypto-Spieler tödlich verwundeten, Gelder gestohlen", so der Kolumnist.

Daten des Kryptoanalyseunternehmens Argus zufolge spricht noch ein weiterer Punkt für gezielte Betrugsabsichten bei FTX/Alameda. Demnach habe Alameda Research Insider-Zugang zu Informationen bekommen, die Pläne über die kommende Listung bestimmter Token bei FTX betrafen. Die Handelsfirma von Sam Bankman-Fried sei dann in der Lage gewesen, diese Token vor der Börsennotierung zu erwerben und später wieder zu verkaufen, wenn der Preis infolge des Börsenlistings gestiegen ist.

Kann SBF strafrechtlicher Verurteilung entgehen?

Die Frage, ob es sich bei den Ereignissen um FTX und Alameda um Betrug oder Missmanagement handelt, werden nun wohl Gerichte klären müssen. Einem anstehenden Gerichtstermin am 13.12., zu dem die US-Kongressabgeordnete Maxine Waters Sam Bankman-Fried vorgeladen hat, wird der Ex-FTX-Chef voraussichtlich aber zunächst fernbleiben. Die Abgeordnete hatte im Rahmen der Einladung erklärt: "… wir schätzen es, dass Sie in Ihren Gesprächen über die Geschehnisse bei FTX Offenheit gezeigt haben. Ihre Bereitschaft, mit der Öffentlichkeit zu sprechen, wird den Kunden des Unternehmens, den Investoren und anderen helfen. Daher würden wir Ihre Teilnahme an unserer Anhörung am 13. begrüssen."

Sam Bankman-Fried antwortete auf Twitter, er habe die Ereignisse noch nicht aufarbeiten können und sei nicht sicher, ob das bis zum 13. Dezember erledigt sei. Sobald er aber damit fertig sei, würde er vor dem Komitee aussagen und sich erklären.

Schlussendlich ist ein Ausgang eines Gerichtsverfahren gegen den FTX-Gründer aber völlig offen. Zunächst war vermutet worden, dass SBF zugute kommt, dass FTX auf den Bahamas registriert ist und nicht der US-Gerichtsbarkeit unterliegt. Randall Eliason, ein Rechtsexperte, hatte gegenüber Fortune erklärt, dass Sam Bankman-Fried eine Strafe unter Umständen komplett vermeiden könne und einer strafrechtlichen Verurteilung entgehen könnte. Dabei gehe es konkret darum, ob man SBF Vorsatz vorwerfen könne. "Es ist nicht kriminell, sein Unternehmen schlecht zu managen und einen Haufen Geld anderer Leute zu verlieren. Das passiert ständig. Für einen Kriminalfall muss Täuschung vorliegen", sagte er.

Am Dienstag überschlugen sich die Ereignisse dann aber doch: Sam Bankman-Fried wurde auf Antrag der USA auf den Bahamas festgenommen. Bahamaische Medien zitierten aus einer Mitteilung des Generalstaatsanwalts des Karibikstaats, Ryan Pinder. Die Vereinigten Staaten hätten Strafanzeige gegen ihn erstattet. Die Bahamas würden Pinder zufolge einem wahrscheinlichen Auslieferungsgesuch der USA "unverzüglich" nachkommen, sobald die Anklage veröffentlicht und ein formeller Antrag gestellt worden sei.

Redaktion finanzen.ch

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Bildquelle: T. Schneider / Shutterstock.com
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