Milliardendeal |
25.05.2021 15:43:41
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Deutsche Wohnen-Aktie zieht an, Vonovia-Titel fallen: Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen - Berlins Bürgermeister äussert sich positiv
In der Debatte um bezahlbaren Wohnraum und Verdrängung stehen auch die beiden grössten deutschen Immobilienkonzerne, Vonovia und Deutsche Wohnen, seit Jahren in der Kritik - nun haben beide Unternehmen ihren geplanten Zusammenschluss verkündet.
Mit der Übernahme fachen die Konzerne die Diskussionen rund um steigende Mieten und Wohnraum in Ballungsgebieten weiter an. Vonovia mit Sitz in Bochum besass Ende 2020 knapp 415 000 Wohnungen, davon gut 354 000 in Deutschland. Die Deutsche Wohnen wiederum ist der grösste Privatvermieter Berlins: Rund 114 000 der insgesamt mehr als 155 000 Deutsche-Wohnen-Immobilien stehen in der Hauptstadt.
Die Deutsche Wohnen stand nicht nur beim inzwischen gescheiterten Mietendeckel-Gesetz des Senats immer wieder im Fokus, sondern ist auch Hauptgegner der Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen". Diese setzt sich dafür ein, Immobilien von Unternehmen in Berlin zu verstaatlichen, die am Stichtag 26. September mehr als 3000 Wohnungen haben. Die beiden Konzernchefs, Rolf Buch und Michael Zahn, waren am Dienstag daher vor allem darum bemüht, die Wogen zu glätten und Befürchtungen der Hauptstadtmieter zu zerstreuen.
In Berlin herrsche ein "Unzustand" betonte Vonovia-Chef Buch im Beisein von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller sowie Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD). Dieser "Unzustand" sei ein "Ausdruck, dass die Bürger dieser Stadt offensichtlich nicht zufrieden sind, auch nicht zufrieden mit unserem Unternehmen". Es brauche einen "Neuanfang" in der Zusammenarbeit mit der Politik aber auch mit Mieterschützern.
Vonovia werde sich deshalb verpflichten, in den kommenden drei Jahren die jährlichen Mietsteigerungen auf höchstens ein Prozent im Jahr zu begrenzen. Beide Konzerne einigten sich mit dem Senat zudem auf den Verkauf von rund 20 000 Wohneinheiten noch in diesem Jahr an das Land. Berlin ist darum bemüht, Wohnraum zurückzukaufen, um den Mietmarkt besser regulieren zu können. Ähnliche Vereinbarungen würden auch in anderen Ballungsbieten geschlossen, betonte Buch. Ohne den Segen der Städte und Kommunen könne kein Unternehmen erfolgreich sein.
Die Ankündigungen überzeugten Kritiker nicht. Es handele sich um "Zusagen, die zwar gut klingen, sich aber bei näherem Hinsehen zum Teil als Selbstverständlichkeiten entpuppen, die den Unternehmen wenig abverlangen", teilte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, mit. "Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass beide Unternehmen aufgrund der zuletzt sehr starken Mieter:innenproteste gegen ihre Geschäftspraktiken die verbale Flucht nach vorne antreten." Mieterschutz hänge dabei nicht von der Grösse des Immobilienportfolios ab.
Tatsächlich bleibt der Marktanteil der beiden Konzerne am deutschen Wohnungsmarkt selbst mit mehr als 500 000 Wohnungen gering: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt den Anteil des fusionierten Konzerns am gesamten deutschen Mietmarkt auf lediglich 2,4 Prozent. In Berlin ist die Deutsche Wohnen zwar der grösste Privatvermieter, kommt aber bei den Marktanteilen laut Investitionsbank Berlin (IBB) nicht über neun Prozent hinaus. Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften etwa verfügen mit derzeit rund 335 000 Wohnungen über ein mehr als doppelt so grosses Portfolio.
"Den beiden Immobiliengiganten dürfte es nicht um marktbeherrschende Stellung gehen", vermutet Michael Voigtländer, Immobilienmarkt-Experte beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). "Ausschlaggebend für die Fusion dürfte vielmehr die Politik sein." Je mehr Unternehmen sich zusammenschlössen, umso robuster könnten sie auftreten gegen Mietpreisregulierungen und andere Markteingriffe des Staates.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) fürchtet auch um die Arbeitsbedingungen der Handwerker. "So ein XXL-Konzern wird sein Diktat von der Miethöhe bis zu den Vertragskonditionen für Mieter machen", monierte IG-BAU-Chef Robert Feiger. "Er wird auch bei Renovierungen, bei energetischen und altersgerechten Sanierungen Bauunternehmen mehr diktieren als heute schon."
Vonovia hatte vor rund fünf Jahren schon einmal versucht, den Konkurrenten zu schlucken. Damals wehrte sich dieser gegen die "feindliche Übernahme", wie Deutsche-Wohnen-Chef Zahn erneut betonte. Nur rund ein Drittel der Aktionäre nahm das Übernahmeangebot damals an. Nun müssen sie sich erneut entscheiden.
Berlins Bürgermeister äußert sich positiv
Berlins Regierender Bürgermeister Michael hat sich positiv geäußert über die geplante Fusion von Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia mit dem Konkurrenten Deutsche Wohnen. Die beiden Unternehmen hatten Berlin zuvor für die kommende Jahre lediglich geringe Mietsteigerungen zugesagt. Der angebotene Kauf von rund 20.000 Wohnungen durch das Land Berlin erlaube der Stadt, mehr Einfluss auf stabilere Mieten zu nehmen, erklärte Müller.
Finanzsenator Matthias Kollatz betonte, dass Berlin die Wohnungen zum Ertragswert über kommunale Unternehmen kaufen und durch Kredite finanzieren werde. Aktuell sind rund 340.000 Wohnungen in Besitz des Landes Berlin.
Müller sagte, man habe damit die Chance, noch mehr Wohnungen in kommunales Eigentum zu bekommen. "20.000 Wohnungen - das ist mitunter die Größenordnung einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft, für die wir noch mal zusätzlich Verantwortung übernehmen können", erklärte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Vorstandschefs von Vonovia, Rolf Buch, und Deutsche Wohnen, Michael Zahn. Der Senat und die beiden Firmen verfolgten ein "gemeinsames Interesse "im Bereich der Mietenstabilität.
Vonovia hofft auf Neuanfang in Berlin
Buch betonte, man wolle in Berlin einen "Neuanfang" in der Diskussion um die angespannte Wohnsituation starten. "Wir deckeln, wir verkaufen in unserer Sicht und wir bauen", so Buch. Dies solle "ein gutes Signal an die Berlinerinnen und Berliner und an die Politik sein" für eine andere Form der Zusammenarbeit, um es "gemeinsam zum Wohle der Bevölkerung von Berlin" besser hinzubekommen."
Zuvor hatte Vonovia angekündigt, Deutsche Wohnen für rund 18 Milliarden Euro übernehmen zu wollen. Damit würde Europas größter Immobilienkonzern entstehen. Deutsche Wohnen besitzt in Berlin rund 110.000 Wohnungen, Vonovia rund 40.000. Die Wohnungen, die man auf Wunsch des Senates an die Landesregierung verkaufen wolle, liegen meist in den Randbezirken Berlins.
Vonovia hat dem Berliner Senat einen "Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen" angeboten. Danach sollen Mieten innerhalb der kommenden drei Jahre maximal um 1 Prozent jährlich steigen dürfen, in den beiden Jahren danach nicht mehr als die Inflationsrate.
Dies sei eine wichtige sozialpolitische Aussage, so Müller. "Damit wird deutlich, wir wollen, dass sich die Menschen in unserer Stadt ihren Wohnraum leisten können", so Müller.
Fusion vor Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus
Der Berliner Senat steht angesichts der angespannten Wohnungssituation in Berlin unter Druck. Die schwierige Lage dürfte zu einem Hauptthema bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September werden, bei denen der rot-rot-grüne Senat auf eine weitere Amtszeit hofft.
Der Berliner Senat hat in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen versucht, wie etwa den Berliner Mietendeckel und höhere Hürden für die Umwandlung von Miets- in Eigentumswohnungen. Allerdings ist der Mietendeckel, der Mietobergrenzen und bei überteuerten Wohnungen Mietabsenkungen gesetzlich vorschrieb, kürzlich vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden.
Aktuell läuft in Berlin auch ein Volksbegehren "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", das von der Politik eine Vergesellschaftung aller Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen im Land Berlin fordert. Davon wären rund 200.000 Wohnungen betroffen, von denen die meisten Deutsche Wohnen gehören. Müller bekräftigte seine Position, dass dieses konfrontative Vorgehen wenig erfolgversprechend sei.
Linke lehnt Fusion ab
Der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion, Fabio De Masi, lehnt den Firmenzusammenschluss hingegen ab. "Die angestrebte Fusion von Deutsche Wohnen und Vonovia sollte von den Kartellbehörden unterbunden werden. Die Feststellung der Kartellbehörde aus dem Jahr 2015, dass ein hinreichender Wettbewerb durch kommunale und private Vermieter gegeben sei, überzeugt nicht", so De Masi. "Der Wohnungsmarkt ist vermachtet und gestört. Angebot und Nachfrage passen sich durch die langen Bauzyklen und die begrenzte Verfügbarkeit von Boden auch nicht einfach an wie auf dem Kartoffelmarkt!".
Während Deutsche Wohnen-Titel via XETRA um 16,07 Prozent auf 52,22 Euro zulegen, verlieren Vonovia-Aktien 4,4 Prozent auf 49,81 Euro.
IW: Vonovia und Deutsche Wohnen vereinen Kräfte gegen die Politik
Mit ihrer geplanten Fusion wollen die Immobilienkonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen ihre Kräfte gegen regulatorische Eingriffe durch die Politik bündeln, so die Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Insgesamt ist laut dem IW wegen der Eingriffe des Staates mit weiteren Fusionen zu rechnen. Die größere Marktkonzentration sei jedoch kritisch zu bewerten. Schließlich sichere ein kleinteiliger Mietwohnungsmarkt in Deutschland bislang ein vielfältiges Angebot.
Bei dem Zusammenschluss zum größten Immobilienkonzern Europas mit einem Bestand von 550.000 Wohnungen dürfte es Vonovia und Deutsche Wohnen nicht um eine marktbeherrschende Stellung gehen - dafür sei der Markt zu kleinteilig, erklärte IW-Ökonom Michael Voigtländer.
"Ausschlaggebend für die Fusion dürfte vielmehr die Politik sein: Durch politische Interventionen entstehen Risiken für die Unternehmen, die tendenziell für große Marktteilnehmer besser zu bewältigen sind als für kleine Unternehmen oder Privateigentümer", so Voigtländer.
Denn die Unwägbarkeiten hätten in den vergangenen Jahren noch einmal zugenommen. Diese reichten von Enteignungen bis zu weitreichenden Mietstopps und Einschränkungen bei der Umlagefähigkeit nach Modernisierungen. Auch in anderen Branchen wie etwa dem Bankensektor seien Regulierungen ein wichtiger Treiber von Zusammenschlüssen.
Der Zusammenschluss könnte daher eher die Spitze des Eisbergs sein für weitere Fusionen.
"Noch mehr Unternehmen werden sich zusammenschließen, um robuster gegenüber Mietpreisregulierungen und anderen Eingriffen zu werden. Gerade Kleinvermieter werden so zunehmend aus dem Markt gedrängt, da sie in der Regel die größten Probleme haben, sich auf Änderungen im Regulierungsrahmen einzustellen", so Voigtländer.
BERLIN (Dow Jones) / BERLIN/BOCHUM (awp international)
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