Klimaschutz |
07.06.2021 23:56:00
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Nach Shell-Prozess: So wirkt sich das CO2-Urteil auf die Ölgiganten Chevron, Exxon & Co. aus
Nachdem der Ölkonzern Shell von einem europäischen Gericht dazu verurteilt wurde, seine Umweltbilanz deutlich zu verbessern, kommen auch immer mehr Mitbewerber in Zugzwang und stellen neue Konzepte zum Umweltschutz auf - wenn auch nicht ganz freiwillig.
• Chevron-Aktionäre stimmen für Klimaschutz
• Grüner Wechsel im Exxon-Vorstand
Schlappe für Shell: bisherige Bemühungen für Gericht nicht genug
Es war ein schwarzer Tag für die Ölbranche: Erst kürzlich urteilte das Bezirksgericht in Den Haag in einem Gerichtsprozess zwischen dem Ölkonzern Shell und Umweltschützern, die den Branchenriesen aufgrund seiner klimaschädlichen Geschäftsprozesse verklagten - und zwar zugunsten der Aktivisten. Im "Kampf gegen den gefährlichen Klimawandel" müsse auch Shell seinen Beitrag leisten, lautete das Urteil. Und dieser Grundsatz gelte nun mal nicht nur für die eigenen Unternehmensabläufe, sondern auch für involvierte Zulieferer und Endkunden. Shell selbst sieht das Urteil nicht gerechtfertigt und will Berufung einlegen. Wie ein Unternehmenssprecher erklärte, sei man bereits stark investiert, um seine Umweltbilanz möglichst gering zu halten. Bis 2050 wolle der Ölgigant klimaneutral werden. Das hat dem Gericht offenbar nicht gereicht. Stattdessen muss Shell seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent senken. Als Basis der Berechnung gelten Daten aus dem Jahr 2019.
Donald Pols, Direktor der Umweltschutzorganisation Milieudefensie, die auch untern den Klägern war, sprach laut der Deutschen Presse-Agentur von einem "weltweit wichtigen Signal", da ein Gericht einem Umweltsünder noch nie zuvor eine derartige Anweisung auferlegt habe. "Das fossile Zeitalter neigt sich dem Ende zu", ist sich auch Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sicher.
Umdenken bei Chevron: Verantwortung für Scope-3-Emissionen
Erst nach und nach wird die Tragweite des Urteils klar: Auch Anleger des Mitbewerbers Chevron ließen die Führungsetage kürzlich spüren, dass ihnen Umweltthemen immer wichtiger werden. Am Tag des Shell-Urteils stimmten die Aktionäre dafür, dass das Unternehmen beim Klimaschutz mehr Verantwortung übernehmen und die Emissionen der Endkunden reduzieren müsse. Die Scope-3-Emissionen, die entstehen, wenn Kunden von Energieerzeugern Brennstoffe verbrennen, machen in der Regel den Großteil der Emissionen eines Ölunternehmens aus. Scope-1- und Scope-2-Emissionen fallen derweil bei der Herstellung oder bei den Zulieferern an. Im Fall von Chevron haben diese laut Recherchen von Bloomberg 2020 61 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgemacht, während Scope-3-Emissionen auf 413 Millionen Tonnen kamen.
Bei der jährlichen Aktionärsversammlung stimmten laut Bloomberg 61 Prozent der Stimmberechtigten für den Vorschlag ab. Zuvor rief ein Teil des Vorstands Investoren dazu auf, den Antrag abzulehnen. Chevron-CEO Mike Wirth zeigte sich nach der Abstimmung dennoch zuversichtlich. "In unserer Gesellschaft und bei allen Interessengruppen war das Interesse an diesen Themen noch nie so groß, und ich denke, die Abstimmung spiegelt das wider", erklärte er gegenüber Bloomberg. "Wir arbeiten an allem, an den Emissionen unserer Produkte, wie sie von unseren Kunden verwendet werden, wir bieten erneuerbaren Diesel, erneuerbares Erdgas und erneuerbare Grundöle an. Wir arbeiten an Dingen wie nachhaltigem Flugbenzin und Wasserstoff."
Aktivisten-Fonds landet in ExxonMobil-Vorstand
Am selben Tag erhielt der Aktivisten-Fonds "Engine No. 1" zwei Plätze im Vorstand von ExxonMobil, sehr zum Leidwesen von CEO Darren Woods, wie Bloomberg berichtete. So hält der Investor zwar nur 0,02 Prozent der Exxon-Papiere, konnte die Anleger aber mit seinen Prinzipien zum Umweltschutz überzeugen. Laut der Nachrichtenagentur könnte außerdem ein dritter Sitz für den Fonds herausspringen, wenn alle Stimmen ausgezählt wurden. Damit würde Woods einen Vorstand leiten, der zu einem Viertel aus Nicht-Unternehmenszugehörigen besteht. Bis zuletzt soll der Geschäftsführer versucht haben, Anleger davon zu überzeugen, nicht für Engine No. 1 zu stimmen. Damit stoße Woods nun erstmals auf Widerstand, was Umweltthemen angeht, glaubt auch Mark Stoeckle von Adams Express. So konnten große Konzerne in der Vergangenheit zwar mit Umweltsünden durchkommen, die Zeiten ändern sich nun aber, wie der Portfoliomanager laut Bloomberg erklärte. Mit einem Anteil von 6,6 Prozent ist der Vermögensverwalter BlackRock der zweitgrößte Anleger bei Exxon. Das Unternehmen stimmte ebenfalls für die drei von Engine No. 1 nominierten Direktoren, wie aus dem Abstimmungsprotokoll hervorgeht. BlackRock zeige sich besorgt über die strategische Richtung, die Exxon aktuell einschlage und hoffe, dass neue Vorstandsmitglieder frischen Wind in die angestaubte Verwaltungsriege bringen können.
Branchenweite Reaktionen auf Shell-Urteil
Und auch weitere Branchengrößen legen nach: Unter ConocoPhillips-Aktionären wurde kürzlich ebenfalls über einen Vorschlag abgestimmt, der das Unternehmen mehr in die Verantwortung nehmen soll, seine Klimabilanz zu verbessern. Für ein vollumfängliches Emissionsminderungsziel hatten sich 58 Prozent der Investoren ausgesprochen. Und auch der französische Konzern TOTAL reagierte auf das Shell-Urteil und will einen Teil seines Schwerpunkts auf erneuerbare Energiequellen verlagern und sich im Zuge dessen in TotalEnergies umbenennen, wie etwa BBC schrieb. Zwar hätten sich einige Kleinanleger auf der Hauptversammlung gegen die Pläne des Unternehmens ausgesprochen, dies habe aber den Grund gehabt, dass ihnen die grünen Pläne nicht weit genug gingen. Letztendlich wurde der Beschluss mit mehr als 90 Prozent der Stimmen angenommen. Damit wolle man eine führende Rolle im Bereich der erneuerbaren Energien einnehmen, wie Geschäftsführer Patrick Pouyanné laut BBC erklärte.
Auch wenn gerade Shell sich alles andere als zufrieden über das Gerichtsurteil zeigte, scheint nun dennoch ein Wandel in der Branche in Gang gekommen zu sein. Es bleibt also abzuwarten, ob andere Ölgiganten hier ebenfalls nachziehen und wie deren Aktionäre ihre Stimmmacht zugunsten der Umwelt nutzen können.
Fabian Bullinger / Redaktion finanzen.ch
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