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Kolumne 20.08.2015 12:17:57

Ist die Mindestverzinsung für die 2. Säule zu hoch?

Kolumne

Bereits bei Beschluss des Mindestzinssatzes von 1.75 Prozent im Oktober 2014 gab es diverse Stimmen, die sich eine weitere Senkung der Mindestverzinsung, gewünscht hätten.

Ist die Mindestverzinsung 2015 für die 2. Säule mit 1.75 Prozent zu hoch? Das Kernargument für diese Haltung ist, dass es mit einer risikoarmen Anlage möglich sein muss, die Mindestverzinsung zu erreichen. Eine Mindestverzinsung ist insbesondere für Vollversicherer wichtig, da Investitionen in Zinspapiere für sie die Hauptanlage darstellen. Neuerdings mehren sich Stimmen, welche darauf hinweisen, dass mit der Anlage in festverzinsliche risikoarme Wertpapiere wohl nur zwischen 0.5% und 1.0% Zinsen zu erwirtschaften sind. Damit ist die Frage gestellt, anhand welcher Kriterien die Mindestverzinsung bestimmt werden soll und letztlich auch, ob es überhaupt Sinn macht, eine derartige regulierende Kennzahl zu erlassen.

Es erscheint mir wesentlich das Kernargument für einen Mindestzinssatz zu nennen, das letztendlich auf der Kapitalgarantie der Altersguthaben des Individuums beruht. Da der einzelne Versicherte kaum Einfluss auf die Anlage der Vorsorgeeinrichtung hat, lässt sich folgern, dass von seiner Seite Anspruch auf gewisse Schutzmechanismen, besteht. Dies schliesst Verluste für den einzelnen Arbeitnehmer aus, auch wenn dies für die Vorsorgeeinrichtung als Ganzes eintreten kann.

Dieser virtuelle Schutzschirm auf Ebene der Vorsorgeeinrichtung funktioniert für den Einzelnen vor allem dadurch, dass nicht alle Versicherten gleichzeitig ihre Altersguthaben ausgezahlt bekommen und Wertschwankungsreserven bereit stehen.

Schwankungen werden reduziert

Doch weshalb soll denn eine Verzinsung über die Nullgrenze hinaus vorgeschrieben werden? Die Vorsorgeeinrichtungen sollten doch selbst ein Interesse haben, ihren Mitgliedern eine möglichst gute Verzinsung zu gewähren?

Das wesentliche Argument scheint mir in der Glättung der Verzinsung zu liegen. So werden durch einen Mindestzins die Schwankungen reduziert, da ja insbesondere in Jahren negativer Renditen auch Mindestzinsen gezahlt werden. So ergibt sich für Versicherte, die zum Beispiel aufgrund beruflicher Veränderung ihre Pensionskasse wechseln oder Rentenbezüger werden, eine geringere Unsicherheit auf ihr finales Altersguthaben. Für Versicherte, die lange Zeit immer bei der gleichen Vorsorgeeinrichtung versichert bleiben, sollte kein relevanter Unterschied zwischen einem Verfahren mit oder ohne Mindestzins existieren.

Aufgrund der fehlenden Pensionskassenfreit für den Einzelnen lassen sich als Kehrseite der Medaille, Sicherheitsmechanismen wie der Kapitalschutz und die Mindestverzinsung, legitimieren.

Verluste in schlechten Börsenjahren

Die Frage wie hoch denn der Mindestzinssatz sein soll bewegt die Gemüter, da hier direkt in die Geschäftsmodelle der unterschiedlichen Vorsorgeeinrichtungen eingegriffen wird. Für Anbieter, die den Mindestzins nicht erwirtschaften, ergeben sich Verluste, die in guten Jahren wieder ausgeglichen werden. Jedoch ist dies zu relativieren, Verluste resultieren aus der Differenz zwischen Marktrendite und Mindestzins und ergeben sich in schlechten Börsenjahren, selbst bei einem Mindestzins von null Prozent.

Unabhängige Vorsorgeeinrichtungen, die keine Ausschüttungen an Aktionäre und anderen Stakeholder leisten müssen, besitzen eine grössere Flexibilität, Renditedifferenzen über die Jahre auszugleichen. Sofern Aktionäre oder auch andere Stakeholder mit jährlichen Gewinnerwartungen beteiligt sind, ist ein hoher Mindestzinssatz abträglich für ein derartiges Geschäftsmodell.

Natürlich ist auch zu fragen inwieweit ein zu hoher Mindestzinssatz das Anlageverhalten beeinflusst? Sofern ein Mindestzinssatz dauerhaft höher ist als der erwartete Ertrag, ergibt sich quasi ein Ausschluss des Anbieters vom Markt, sofern er nicht die Anlage verändert. Dies kann unterschiedlich beurteilt werden: Einerseits kann heute das Festhalten an Nominalwerten als nicht mehr zeitgemäss betrachtet werden. Der Mindestzins sendet dabei ein starkes Signal zur Veränderung an neue Rahmenbedingungen aus. Andererseits kann das Verkaufen von Nominalwerten auch bedeuten, dass grössere Risiken eingegangen werden müssen, um die Mindestverzinsung zu erwirtschaften.

Fazit: Besser Mindestzinssatz aufzugeben

Es ist bedauerlich, dass diese Entscheidung nicht von jedem einzelnen Versicherten getroffen werden kann, indem er selbst Einfluss auf die Auswahl der Anlage nimmt. Letztendlich ist die geeignete Kombination von Risiko und Rendite individuell. Zudem wird es wohl kaum einen Mindestzins geben, der sowohl für Vollversicherer, Sammel- und Firmenstiftungen passend ist, da diese mit sehr unterschiedlichen Anlageallokationen arbeiten.

Hinzuzufügen ist auch, dass aus aufsichtsrechtlicher Sicht eine Verstärkung der Wertschwankungsreserven zu Lasten der Verzinsung eher präferiert wird und der Mindestzinssatz quasi ein Korrektiv darstellt.

Als Fazit bleibt, dass es letztendlich wohl besser ist, den Mindestzinssatz, trotz existierender Vorteile, aufzugeben und darauf zu bauen, dass der Wettbewerb von Vorsorgeeinrichtungen die Verzinsung der Altersguthaben optimiert. Dafür ist es notwendig, die Verzinsungspolitik der Vorsorgeeinrichtungen noch mehr in den Mittelpunkt zu rücken, damit dieses zentrale Kriterium zur Beurteilung der Arbeit von Pensionskassen, noch mehr an Aufmerksamkeit und Gewicht gewinnt.

Für Personen mit langfristiger Zugehörigkeit zu einer bestimmten Vorsorgeeinrichtung gilt es, den langfristigen Durchschnitt der Verzinsung unterschiedlicher Kassen zu vergleichen. Für Personen mit häufigen Arbeitsplatzwechseln bleibt zu hoffen, dass ein intensiverer Wettbewerb im Bereich Verzinsung letztendlich auch für sie Früchte trägt.

Olaf Meyer: Stiftungsratspräsident Profond Vorsorgeeinrichtung

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.

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