Experten-Kolumne |
20.04.2016 15:19:25
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Pensionskassen: Deckungsgrad vs. Cash-Flow
Kolumne
Der Deckungsgrad wird vielfach als wichtigster Indikator für die Sicherheit und Risikofähigkeit einer Pensionskasse bezeichnet. Kann mit einem normalisierten Deckungsgrad ein sinnvoller neuer Benchmark für den Vergleich entstehen?
Die Rolle der erwarteten Rendite
Da Pensionskassen ihre Leistungen zu grossen Teilen erst in ferner Zukunft auszahlen müssen, ist die zukünftige erwirtschaftete Rendite bis zu diesem Zahlungszeitpunkt ein wesentlicher Bestandteil für die Bemessung der Leistungen, insbesondere der Renten. Der Barwert der zukünftigen Leistungen und damit auch der Deckungsgrad hängen also direkt und wesentlich von der zukünftigen, erwarteten Rendite ab. Insofern sollte der technische Zinssatz vor allem anhand der erwarteten Rendite bestimmt werden. Angemessen ist zumeist, einen technischen Zinssatz zu wählen, der unterhalb der erwarteten Rendite liegt und ein Sicherheitspolster beinhaltet. Dies sofern die Wertschwankungsreserven noch nicht aufgefüllt sind oder auch wiederkehrende zusätzliche Kosten existieren.
Die Schwierigkeit besteht also vor allem darin, diese erwartete Rendite zu schätzen und davon den technischen Zinssatz abzuleiten. Es ist bekannt, dass Vorsorgeeinrichtungen unterschiedliche technische Zinssätze verwenden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass in einigen Vorsorgeeinrichtungen Optimisten und in anderen Pessimisten investieren.
Die grössten Unterschiede hinsichtlich der erwarteten Rendite und dem technischem Zinssatz resultieren aus der Anlagestrategie. Es ist offensichtlich, dass höhere Anteile in Aktien und Immobilien mehr Rendite generieren als hohe Anteile in Liquidität oder Obligationen. Unterschiedliche technische Zinssätze resümieren zu einem Teil das jeweilige individuelle Geschäftsmodell einer Kasse. Unterschiedliche technische Zinssätze sind zudem Ausdruck der unterschiedlichen Situation von Vorsorgeeinrichtungen, die sich in einer individuellen Anlage niederschlägt.
Daraus ergibt sich, dass ein harmonisierter Deckungsgrad, der mit Hilfe eines universellen technischen Zinses errechnet wird, für die Realität ungeeignet ist.
Orientierung kann jedoch gewonnen werden, indem die historischen Renditen mit den historischen technischen Zinssätzen der Kasse verglichen werden. Wurden die technischen Zinssätze übertroffen? Um wieviel? Dies kann jedoch nur ein erster Vertrauensbeweis sein, da die zukünftigen Renditen unsicher sind. Deshalb ist zu klären von welchen Annahmen für die Zukunft die Vorsorgeeinrichtung ausgeht? Es ist durchaus möglich, diese Annahmen zu plausibilisieren und sich ein Bild zu machen, ob bzw. inwieweit hier Aussicht auf eine positive Differenz zwischen erwarteter Rendite und technischem Zinssatz besteht.
Cash-Flow
Viele Leser werden jetzt denken, dass die erwartete Rendite sicher massgeblich für die Zukunft ist, ein möglichst normalisierter Deckungsgrad jedoch ein wichtiger Indikator für die aktuelle Sicherheit einer Pensionskasse sein kann. So stimmt es, dass der Deckungsgrad umso wichtiger wird, je kurzfristiger grosse Auszahlungen des Vermögens bevorstehen. Extreme Fälle können aus der Totalliquidation der Firma entstehen oder bei einer Sammelstiftung aus einem generellen Vertrauensverlust, der zum Abgang der Anschlüsse führt. De facto könnten hier über Nacht Rentnerkassen entstehen, da es dann keine aktiv Versicherten mehr in diesen Kassen gäbe. Derartige Situationen resultieren aus Technologiebrüchen, erlebt mit dem Einzug der digitalen Fotographie oder des i-phones, die Unternehmen aus dem Markt gedrängt haben. Ebenfalls zeigt das Beispiel der Banken, dass es Situationen gegeben gibt, in denen Kunden einfach nur all ihr Geld abziehen wollen (bank-run). Derartiges ist schwer vorhersehbar und in diesen Situationen wird die erwartete Rendite wohl auf null fallen bzw. im heutigen Zinsumfeld sogar negativ sein.
In der Praxis der Führung einer Vorsorgeeinrichtung stellt die Vorausschau des Cash-Flow die wesentliche Aufgabe zur Risikokontrolle dar. Hier werden alle planbaren Effekte in Franken bewertet. So sollte im Alltag die Entwicklung des operativen und des finanziellen Cash-Flows im Vordergrund stehen. Hervorzuheben sind einerseits die zukünftigen Einzahlungen der aktiv Versicherten sowie die Renten- und Kapitalzahlungen. Andererseits wird Cash-Flow aus Zinsen, Dividenden und Mieten generiert. Sofern aus einer derartigen Cash-Flow Planung regelmässige Überschüsse resultieren, kann davon ausgegangen werden, dass die Zahlungsverpflichtungen der Vorsorgeeinrichtung ohne Verkäufe von angelegtem Kapital realisiert werden können.
Orientierung über die Risikofähigkeit einer Pensionskasse sollte damit vor allem durch die Höhe des Cash-Flow und im Vergleich der Cash-Flows unterschiedlicher Pensionskassen gewonnen werden. Dies könnte z. B. durch einen Indikator wie Nettocash-flow/Verpflichtungen erfolgen.
Fazit
Die Bedeutung der Differenz von erwarteter Rendite zu technischem Zinssatz und des erwarteten Nettocash-Flows in Vorsorgeeinrichtungen sollten mehr ins Zentrum der Überlegungen gerückt werden. Derartige Vergleiche ermöglichen es für Pensionskassen im Normalbetrieb, die Leistungs- und Risikofähigkeit besser einzustufen, als dies mit einem harmonisierten Deckungsgrad möglich ist.
Olaf Meyer: Stiftungsratspräsident Profond Vorsorgeeinrichtung
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.
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