Erhalt der Artenvielfalt |
25.04.2024 06:26:00
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Biodiversitätsfonds werden beliebter: Das sind die Vorteile von Investitionen in Biodiversität
Die weltweite Artenvielfalt hat sich in der jüngsten Vergangenheit deutlich reduziert und nimmt weiter ab. Dieser Rückgang der Biodiversität hat jedoch Auswirkungen auf das Ökosystem und dadurch wiederum auf Unternehmen und die gesamte Wirtschaft. Für Investoren und Unternehmen ergeben sich daraus Risiken, aber auch Chancen.
• Interesse an Biodiversitätsfonds steigt, aber nur wenige Produkte vorhanden
• Keine festgelegten Kennzahlen, viel Eigenrecherche nötig
Laut dem Weltwirtschaftsforum (WEF) sind Unternehmen stärker von der Natur abhängig, als bisher angenommen wurde. So würde mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts, nämlich 44 Billionen US-Dollar an wirtschaftlicher Wertschöpfung, moderat oder stark von der Natur abhängen, heißt es auf der Website des WEF. Gleichzeitig nimmt die Vielfalt in der Natur jedoch weltweit rapide ab, schreibt Nick Studer, CEO der globalen Unternehmensberatung Oliver Wyman Group, in einem Gastbeitrag für "Fortune". So habe die Welt laut einem Bericht des World Wide Fund for Nature beispielsweise im letzten halben Jahrhundert 69 Prozent ihrer Wildtierpopulationen verloren. Der Verlust an Biodiversität bringt jedoch Risiken für die Weltwirtschaft mit sich. "Die Gefährdung durch Naturverluste [ist] sowohl für alle Wirtschaftszweige von Bedeutung [...], als auch ein dringendes und nicht lineares Risiko für unsere kollektive zukünftige wirtschaftliche Sicherheit", so Dominic Waughray, Geschäftsführer des Weltwirtschaftsforums. Besonders für die Bereiche Bau, Landwirtschaft und Nahrungsmittel erwartet der WEF eine Disruption durch den Rückgang der Biodiversität.
"Ein Rückgang der von der Natur bereitgestellten Ökosystemleistungen stellt zunächst ein direktes physisches Risiko für Unternehmen dar, da Ernten unzuverlässiger werden, sich Wettermuster ändern und Bestäuber die Landwirtschaft nicht mehr unterstützen", schreibt auch die Union Bancaire Privée (UBP) auf ihrer Website. Weitere physische Risiken für Unternehmen sind laut "Financial Times" außerdem etwa der Verlust des Zugangs zu Rohmaterialien oder eine steigende Wahrscheinlichkeit für Sturmfluten und Überschwemmungen, da Ökosysteme wie etwa Korallen-Riffe oder Mangroven-Wälder, die einen Schutz davor bieten, zunehmend verschwinden. "Der Verlust der Leistungen der Ökosysteme, denen ein Wert zuzuschreiben ist, zieht Kosten nach sich, etwa für Investitionen in künstliche Bestäubung oder in die Bekämpfung der Bodendegradation oder Eutrophierung, der Erhöhung des Nährstoffgehalts in Böden zu Gewässern", sagte außerdem BNP-Analyst Robert-Alexandre Poujade gegenüber "finews.ch". Somit ergibt sich ein starkes Geschäfts- und Investitionsargument dafür, den Rückgang der biologischen Vielfalt umzukehren - und das scheint auch immer mehr Investoren bewusst zu werden.
Bei Biodiversität findet ein Umdenken unter Investoren statt
Biodiversität sei momentan das "sich am schnellsten entwickelnde ESG-Thema auf den globalen Kapitalmärkten", sagte Catherine Howarth laut "Financial Times". Sie ist CEO von ShareAction, einer Gruppe, die sich mit verantwortungsvollem Investieren befasst. Innerhalb von drei Jahren habe sich das Thema Biodiversität, das von allen etablierten institutionellen Anlegern früher praktisch ignoriert worden sei, weiterentwickelt und werde nun von allen als wichtig anerkannt, so Howarth weiter. Auch Nick Studer von der Oliver Wyman Group gab auf "Fortune" an, dass das Interesse an Biodiversitäts-Fonds in jüngster Vergangenheit deutlich gestiegen sei. So seien 2022 geschätzt mindestens zwölf Milliarden US-Dollar in entsprechende Produkte geflossen. Laut dem US-Investmentunternehmen BlackRock gibt es jedoch noch nicht viele Finanzprodukte, die sich explizit mit Biodiversität befassen - womöglich auch, weil Praktiken, wie man dies tun könne, noch nicht vollständig ausgearbeitet seien. BNP-Analyst Robert-Alexandre Poujade sprach bei "Das Investment" aber dennoch von einer wachsenden Anzahl an Fonds, die sich auf die biologische Vielfalt konzentrieren würden.
BlackRock sieht dennoch mit Blick auf Biodiversität ein "potenziell faszinierendes neues Anlageuniversum" - und ist damit nicht allein. Denn neben Risiken sehen zahlreiche Experten auch Chancen für Unternehmen und Investoren. "Es besteht ein Potenzial für eine Win-Win-Win-Situation für Natur, Klima, Menschen und Wirtschaft, falls Unternehmen und Wirtschaftsakteure mit Nachdruck reagieren können, um die Natur zu schützen und wiederherzustellen, und beginnen, regelmäßig naturbezogene Risiken zu identifizieren, zu bewerten, zu mindern und offenzulegen, um potenziell ernste Konsequenzen zu vermeiden", heißt es etwa auf der Website des Weltwirtschaftsforums. Konkret glaubt das WEF laut dem Anlageberater Lazard Asset Management, dass Unternehmen, die naturfreundliche Lösungen zum Schutz der Biodiversität entwickeln, das Potenzial haben, bis 2030 Geschäftsmöglichkeiten in Höhe von zehn Billionen US-Dollar und 395 Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. "Mit zunehmendem Bewusstsein gehen Politikgestaltung, Regulierung und Investitionsausgaben einher. Für diejenigen, die zur Lösung des Problems beitragen, schafft dies möglicherweise eine jahrzehntelange Gelegenheit für überlegenes Wachstum und Erfolg, da Kapital zu den 'Beseitigern' der Biodiversitätskrise fließt", schreibt auch die Union Bancaire Privée. Die Kosten für Unternehmen, die noch nicht begonnen hätten, die Natur in den Mittelpunkt ihrer Unternehmenstätigkeit zu stellen, würden laut WEF hingegen wahrscheinlich steigen und letztlich dürften diese Unternehmen sogar abgehängt werden.
Ein entsprechendes Umdenken findet auch bei einigen großen Vermögensverwaltern statt. Neben BlackRock will sich auch Schroders zukünftig stärker auf das Thema "Biodiversität" konzentrieren. "Ich habe natürliches Kapital zu einer unserer großen Prioritäten gemacht", sagte Peter Harrison, CEO von Schroders, laut "Financial Times". "Ich denke, man wird einen sehr großen Geldfluss in Naturkapital sehen, wenn die Menschen erkennen, dass die Natur einen sehr großen Anteil an der Antwort auf die Dekarbonisierung ausmacht. Ohne Biodiversität gibt es keinen Weg zu Netto-Null".
Regelwerk für Investitionen in Biodiversität fehlt
Doch auch wenn Wall Street und Investoren allmählich anfangen, natürlichen Vermögenswerten eine finanzielle Bewertung zuzuweisen, ist es nicht gerade einfach, chancenreiche Unternehmen und Anlagemöglichkeiten zu identifizieren, denn es fehlt bislang ein festes Rahmenwerk. "Die Erfassung der potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen des Biodiversitätsverlusts ist eine Herausforderung. Wir brauchen bessere Daten und Tools, um die Auswirkungen zu messen und Risiken zu managen", bemängelt etwa Nick Studer in seinem Beitrag für "Fortune". Er schlägt etwa bessere Messungen durch Drohnen, Satellitenbildgebung und Bodensensoren vor. Bei BlackRock versuche man derweil beispielsweise "Unternehmen zu identifizieren, die gute Praktiken im Bereich Biodiversität anwenden, angesichts potenzieller ökologischer und gesellschaftlicher Vorteile und unserer Überzeugung, dass der Wert der Auswirkungen dieser Unternehmen noch eingepreist werden muss". Dabei konzentriere man sich auf die Bereiche Forstwirtschaft, Marine und Landwirtschaft. Laut Webseite der Welthungerhilfe gebe es zudem bereits jetzt einige Fonds, die etwa Anleihen von Staaten ausschließen würden, die die UN-Biodiversitätskonvention nicht ratifiziert haben oder dagegen verstoßen. Einige Publikums- und Spezialfonds hätten zudem Anlagekriterien zum Artenschutz, wie etwa Negativbewertungen für die Gefährdungen von Tier- und Pflanzenarten.
Laut "Financial Times" sei es im Großen und Ganzen aber immer noch an den Investoren selbst zu analysieren, wie Unternehmen, in die investiert werden soll oder die sich bereits im Portfolio befinden, zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen oder dafür anfällig sind. Dabei seien nicht nur die bereits erwähnten physischen Risiken zu beachten, sondern auch das Risiko einer Rufschädigung, falls nicht auf den Erhalt der Biodiversität geachtet wird, oder von Rechtsstreitigkeiten, falls sogar selbst - oder im Rahmen der Lieferkette - Schäden verursacht werden. Auch die Welthungerhilfe empfiehlt Anlegern, selbst zu recherchieren. Emittenten von Aktien und Firmenanleihen sollten zudem zukünftig ihre Biodiversitätsrisiken erfassen und offenlegen.
Redaktion finanzen.ch
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