Zu lockere Geldpolitik |
28.04.2021 23:10:00
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Dr. Doom warnt vor Inflations- oder gar Stagflationsgefahr
Während in der jüngsten Vergangenheit vermehrt darüber diskutiert wurde, ob die Inflation von Dauer ist oder nur vorübergehend anhalten wird, beschäftigt sich auch Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini mit dem steigenden Preisniveau, einer möglicherweise lediglich verhinderten Deflation und einer gar drohenden Stagflation.
• Lockere Geld- und Fiskalpolitik könnte Inflation oder Stagflation nach sich ziehen
• Rückkehr der Inflation hätte schwerwiegende wirtschaftliche und finanzielle Folgen
Die Inflation war seit über einem Jahrzehnt unter dem jährlichen 2-Prozent-Ziel der meisten Zentralbanken geblieben. Nun stiegen die Mitte April veröffentlichten US-Verbraucherpreise für März laut Mitteilung des Arbeitsministeriums gegenüber dem Vormonat um 0,6 Prozent und damit stärker als erwartet. Gegenüber dem Vorjahresmonat lagen sie 2,6 Prozent höher. Damit verzeichneten die US-Verbraucherpreise den stärksten monatlichen Preisanstieg seit August 2012. Strategen der US-Großbank Goldman Sachs gaben jüngst bekannt, in den kommenden Monaten weiterhin mit einer höheren Inflation zu rechnen.
Fed-Vizechef Richard Clarida erklärte, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, gegenüber Bloomberg TV derweil, dass eine kräftige Nachfrage und mögliche Angebotsengpässe in den nächsten Monaten zwar dafür sorgen würden, dass das Inflationsziel der Fed von zwei Prozent übertroffen werde, er aber davon ausgehe, dass diese Bewegung später im Jahr wieder zurückgehen werde. Zuvor hatte bereits Notenbank-Chef Jerome Powell in einer Diskussionsrunde gesagt, er gehe davon aus, dass der erwartete Konjunkturschub die Inflation nur vorübergehend anheize.
Wie Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini, auch bekannt als "Dr. Doom", in einem Artikel bei Project Syndicate schreibt, deuteten jedoch mehrere Punkte auf einen anhaltenden säkularen Anstieg der Inflation hin.
Anstieg der Inflation von Dauer?
Ein Argument dafür seien laut Roubini die übertriebenen fiskalischen Anreize der USA, um eine Wirtschaft anzukurbeln, die sich bereits schneller als erwartet wieder zu erholen scheine. Im Frühjahr 2020 verabschiedeten die USA ein 3-Billionen-Dollar-Hilfspaket, im Dezember ein Konjunkturpaket in Höhe von 900 Milliarden Dollar und im März Staatsausgaben von 1,9 Billionen Dollar. Ein 2-Billionen-Infrastrukturpaket soll außerdem in Kürze folgen. Damit reagierten die USA auf die Corona-Krise mit deutlich stärkeren Maßnahmen als auf die globale Finanzkrise 2008.
Als Gegenargument könne man Roubini zufolge heranziehen, dass die Maßnahmen zur Konjunkturbelebung keine dauerhafte Inflation auslösen werden, da die Haushalte einen großen Teil des Geldes zur Seite legen werden, um damit Schulden zu tilgen. Des Weiteren würden Investitionen in die Infrastruktur nicht nur die Nachfrage, sondern auch das Angebot erhöhen, indem sie den Bestand an produktivitätssteigerndem öffentlichem Kapital erweiterten.
Doch auch unter Berücksichtigung dieser Dynamik, dürfte es aufgrund des Anstiegs der privaten Ersparnisse laut dem Experten zu einer Freisetzung aufgestauter Nachfrage kommen, die die Inflation steigern dürfte.
Als zweites Argument für eine steigende Inflation, das in Zusammenhang mit ersterem stehe, führt Roubini an, dass die US-Notenbank und andere wichtige Zentralbanken sich mit ihrer Geldpolitik zu sehr anpassten. Die von den Zentralbanken zur Verfügung gestellte Liquidität habe kurzfristig bereits zu einer Inflation der Vermögenswertpreise geführt. Mit der Beschleunigung der wirtschaftlichen Erholung und des Aufschwungs werde sie ein inflationäres Wachstum der Kreditvergabe und der realen Ausgaben vorantreiben.
Haben die Zentralbanken ihre Unabhängigkeit verloren?
Die Zentralbanken finanzierten laut Roubini derzeit bereitwillig die Haushaltsdefizite der Regierungen. Dem Experten zufolge könne in einer Zeit, in der die öffentliche und private Verschuldung weiter wächst nur eine Kombination aus niedrigen kurz- und langfristigen Zinssätzen die Schuldenlast auf einem tragfähigen Niveau halten. Aktuell würde eine geldpolitische Normalisierung Roubini zufolge die Anleihe- und Kreditmärkte und anschließend die Aktienmärkte abstürzen lassen und eine Rezession auslösen. Die Zentralbanken haben dem Ökonomen zufolge somit ihre Unabhängigkeit verloren. Auch Volkswirte der Commerzbank wiesen, wie Dow Jones berichtete, bereits im Dezember darauf hin, dass die Zentralbanken, weil sie nicht ausreichend unabhängig seien, die Zinsen zu zögerlich anheben dürften, was für eine längere Inflationsperiode spreche. Die US-Notenbank hatte in Aussicht gestellt, ihre Leitzinsen erst dann anzuheben, wenn Vollbeschäftigung herrsche und die Teuerungsrate sich für einige Zeit über zwei Prozent halte.
Allerdings dürften die Zentralbanken laut Roubini wohl alles tun, um ihre Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit zu erhalten, wenn die Wirtschaft denn dann wieder Vollauslastung und Vollbeschäftigung erreiche. Eine Entankerung der Inflationserwartungen würde dagegen den Ruf der Zentralbanken zerstören und ausuferndes Preiswachstum ermöglichen.
Man könne allerdings auch behaupten, dass die Finanzierung der Haushaltsdefizite nicht zu Inflation führe, sondern lediglich eine Deflation verhindere. Dies setze jedoch voraus, dass der Schock, der die Weltwirtschaft derzeit trifft, dem des Jahres 2008 ähnele, so Roubini.
Droht eine Stagflation?
Laut dem Experten sei das Problem jedoch, dass wir uns derzeit von einem negativen gesamtwirtschaftlichen Angebotsschock erholten, weshalb eine zu lockere Geld- und Fiskalpolitik zu Inflation oder gar Stagflation, also einer hohen Inflation bei gleichzeitiger Rezession, führen könnte. Roubini zieht als Beispiel die Stagflation der 70er Jahre, nach zwei negativen Öl-Angebotsschocks infolge des Jom-Kippur-Kriegs und der iranischen Revolution, heran.
Der Wirtschaftsprofessor rät daher eine Reihe potenzieller negativer Angebotsschocks im Auge zu behalten, wie zum Beispiel handelspolitische Hürden, Lieferengpässe und die Verschärfung des US-chinesischen Handelsstreits. Diese seien als Bedrohung des potenziellen Wachstums als auch als mögliche Faktoren, die die Produktionskosten in die Höhe treiben, zu betrachten.
Besorgniserregend sei laut Roubini zudem die demographische Struktur in den Industrie- und Schwellenländern. Auch die Commerzbank nannte den demografischen Wandel bereits zuvor als einen Aspekt, der zum Anstieg der Inflation beitragen wird. Die Volkswirte sind davon überzeugt, dass "die seit einiger Zeit zu stark steigenden Geldmengen […] dann zu einer höheren Inflation führen, wenn die große demographische Wende zu einer nennenswerten Verknappung von Arbeit führt."
Auch eine steigende Einkommens- und Wohlstandsungleichheit könnte auf eine Gegenreaktion in Form fiskalischer und regulatorischer Strategien zur Unterstützung von Arbeitnehmern und Gewerkschaften treffen, erklärt Roubini in seinem Artikel. Dies würde weiteren Druck auf die Arbeitskosten ausüben. Derweil könnte sich die Konzentration der oligopolistischen Macht im Unternehmenssektor Roubini zufolge ebenfalls als inflationssteigernd erweisen, da sie die Preisbildungsmacht der Hersteller stärke. "Und natürlich könnte der Backlash gegen Big Tech und kapitalintensive, arbeitssparende Technologien die Innovation im allgemeineren Sinne einschränken", so der Ökonom.
Zwar bestehe zu dieser Stagflationsthese auch ein gegenteiliges Narrativ, und kurzfristig werde die Flaute auf den Waren-, Arbeits- und Rohstoffmärkten als auch auf einigen Immobilienmärkten einen anhaltenden Inflationsschub verhindern, doch Roubini ist der Meinung, dass die lockere Geld- und Fiskalpolitik, aufgrund einer Reihe anhaltender negativer Angebotsschocks, in den nächsten Jahren beginnen wird, einen anhaltenden inflationären und schließlich stagflationären Druck auszulösen.
Bei einem ist sich Nouriel Roubini jedenfalls sicher: "Die Rückkehr der Inflation hätte schwerwiegende wirtschaftliche und finanzielle Folgen." Durch sie würden wir laut dem Experten von der Zeit der "Großen Mäßigung" in eine neue Phase der makroökonomischen Instabilität eintreten und der säkulare Bullenmarkt im Bereich der Anleihen würde schließlich enden. Steigende nominale und reale Anleiherenditen würden die heutigen Schulden untragbar machen und einen Crash an den globalen Aktienmärkten auslösen. "An einem gewissen Punkt könnten wir sogar die Rückkehr der Malaise im Stile der 1970er Jahre erleben", so Roubini.
Redaktion finanzen.ch
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Goldman Sachs | 208.00 | 7.14% |
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