Expertenkolumne |
19.10.2020 11:29:31
|
Der Vorbezug von Pensionskassenvermögen muss eingeschränkt werden
Kolumne
Pensionskassengelder sollten allein der Vorsorge dienen, denn schon heute reichen sie häufig nicht, um die Leistungen im Alter und bei Invalidität abzudecken.
Pensionskassen stehen vor grossen Herausforderungen. Demografische Trends machen ihnen das Leben schwer, und das makroökonomische Umfeld mit rekordtiefen Zinsen sabotiert die Sollrenditen und somit die langfristigen Rentenverpflichtungen. Die Renditen festverzinslicher Anlagen - die weitaus wichtigste Anlageklasse von Schweizer Vorsorgeeinrichtungen - in der Höhe früherer Jahre gibt es nicht mehr. Dazu kommen die nach wie vor überhöhten BVG-Mindestumwandlungssätze sowie das politische Tabuthema Rentenaltererhöhung. Die gute Performance der Aktienmärkte hat in den letzten Jahren zwar geholfen, die Bilanzen vieler Pensionskassen zu stabilisieren, aber dieser Trend wird - wie auch die letzten Wochen aufgrund der Covid-19-Krise gezeigt haben, nicht immer anhalten.
PK-Vorbezüge sind eine gefährliche Strategie
Besonders beliebt ist bei Herrn und Frau Schweizer der Bezug von Pensionskassengeldern zwecks Kaufs von Wohneigentum (WEF), Tendenz zunehmend. Immer noch tiefe Zinsen locken Käufer an, gleichzeitig steigen die Immobilienpreise. Gemäss dem Hypothekarberater MoneyPark ist die Finanzierung von 80 Prozent der mit Pensionskassengeldern finanzierten Immobilien ohne diesen Vorbezug nicht möglich, da die Interessenten über zu wenig Eigenmittel verfügen. Die notwendigen 20 Prozent Eigenkapital stellen auch mittels Vorbezugs, der maximal die Hälfte davon betragen kann, für Viele eine Hürde dar. Die Situation ist geradezu paradox: einerseits versuchen die Schweizerische Nationalbank und die Regulatoren den Kauf von Wohneigentum durch striktere Vorschriften betreffend Hypothekarfinanzierungen zu erschweren, andererseits unterstützt das BVG den Kauf von Wohneigentum durch Vorbezüge.
Der so weit verbreitete PK-Vorbezug ist jedoch problematisch, denn Pensionskassengelder sollten allein der Altersvorsorge dienen. Personen, die über wenig Eigenmittel verfügen und teure Immobilien auf Kosten der Altersvorsorge kaufen, verfolgen eine gefährliche Strategie. Wenn schon heute Deckungslücken in der Altersvorsorge bestehen, sollten diese nicht noch vergrössert werden.
Ein Vorbezug für Wohneigentum aus der Pensionskasse ist im Allgemeinen bis drei Jahre vor der Pensionierung möglich, bis Alter 50 kann sogar das gesamte Pensionskassenvermögen für den Kauf von Wohneigentum bezogen werden. Durch einen Vorbezug sinken aber beim Beitragsprimat auch die Risikoleistungen bei Tod und Invalidität deutlich, die Rente im Alter verringert sich ebenfalls erheblich.
Sicherung der Altersvorsorge hat Priorität
PK-Vorbezüge müssen auf das Überobligatorium oder auf 25 Prozent des Vorsorgekapitals eingeschränkt werden. Das oft gehörte Argument, PK-Vorbezüge dienten dem in der Bundesverfassung festgehaltenen Ziel der Wohneigentumsförderung, ist nicht zulässig. Die Förderung von Wohneigentum mithilfe von Vorsorgegeldern ist keine echte Wohneigentumsförderung, denn sie geht zulasten der Rente oder der Kapitalauszahlung im Vorsorgefall. Echte Wohneigentumsförderung könnte zum Beispiel über steuerbegünstigtes Bausparen erreicht werden. Ein solches Modell wurde im Kanton Baselland bis 2013 mit grossem Erfolg betrieben.
Auch der Vorbezug bei Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist zu beschränken. Das Risiko, dass das Vorsorgekapital verlorengeht - zum Beispiel durch einen Konkurs - ist gross. In allzu vielen Fällen landen Personen mit Schulden und ohne Vorsorge beim Sozialamt, und die wenigsten Selbständigen zahlen die möglichen 20 Prozent des Nettolohnes in ihre dritte Säule ein. Hinzu kommt, dass der Nettolohn oftmals aufgrund grosser steuerlicher Abzugsmöglichkeiten tiefer ist, was wiederum einen Einfluss auf die Renten in der 1. Säule sowie auf die Einzahlungsmöglichkeiten in die dritte Säule hat. Zudem schwankt der Nettolohn oftmals stark, so dass nicht ein genügend hoher Betrag für eine regelmässige Versicherungsdeckung mit entsprechenden Risikoleistungen verwendet werden kann. Es wird somit oftmals eine zu tiefe Versicherungsdeckung abgeschlossen.
Wer bereits PK-Gelder bezogen hat, sollte die vorbezogenen Gelder schnell wieder in die Pensionskasse zurückzahlen. Ist dies nicht oder nur beschränkt möglich, sind die durch den Vorbezug entstandenen Risiken abzuklären. Eventuell ist der Abschluss einer entsprechenden Versicherung zur Deckung der Risiken in Betracht zu ziehen. Auch wenn mehr Einschränkungen und Vorschriften grundsätzlich nicht wünschenswert sind, sollte der Sicherung der Altersrenten oberste Priorität zukommen. Denn viele Leute unterschätzen die Länge ihres Lebens und die damit verbundenen Kosten. Die Zeche zahlt dann die Allgemeinheit, da viele Personen auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind.
Autor: Stephan Wirz, Mitglied der Geschäftsleitung der Maklerzentrum Schweiz AG
Stephan Wirz ist Mitglied der Geschäftsleitung der Maklerzentrum Schweiz AG, einer führenden Anbieterin von Versicherungslösungen im Privatkundenbereich.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.
Die Assetklasse Private Debt erklärt | BX Swiss TV
Private Debt: Die rasant wachsende Anlageklasse mit grossem Potenzial für Investoren und Unternehmen!
Im Experteninterview mit Kirsten Bode von Muzinich & Co und Olivia Hähnel von der BX Swiss erfahren Sie, warum Private Debt eine spannende Alternative zur traditionellen Kreditfinanzierung ist. Die Anlageklasse ermöglicht Investoren eine sinnvolle Diversifikation, bietet attraktive Illiquiditätsprämien und zeichnet sich durch eine geringe Volatilität aus. Gleichzeitig profitieren mittelständische Unternehmen von flexiblen Finanzierungslösungen, um Wachstum und Projekte voranzutreiben. Insbesondere in Europa hat sich der Markt in den letzten zehn Jahren verdreifacht und bietet über neue Fondsmodelle auch Privatanlegern Zugang. 2025 könnte ein entscheidendes Jahr für Private Debt werden – dank sinkender Zinsen und steigender Nachfrage. Ein absolutes Muss für alle, die ihre Anlagestrategie um zukunftsträchtige Optionen erweitern wollen!
👉🏽 Jetzt auch auf BXplus anmelden und von exklusiven Inhalten rund um Investment & Trading profitieren!
Inside Trading & Investment
Mini-Futures auf SMI
Inside Fonds
Meistgelesene Nachrichten
Weitere Artikel dieses Kolumnisten
Börse aktuell - Live Ticker
Notenbanken im Blick: SMI beendet Handel höher -- DAX schliesst tiefer -- US-Börsen mit Abgaben -- Märkte in Fernost letztlich im MinusAm Dienstag war der heimische Markt auf Richtungssuche, während sich der deutsche Leitindex tiefer zeigte. Die US-Börsen notierten am Dienstag im Minus. Die asiatischen Indizes tendierten unterdessen im Minus.
finanzen.net News
Datum | Titel |
---|---|
{{ARTIKEL.NEWS.HEAD.DATUM | date : "HH:mm" }}
|
{{ARTIKEL.NEWS.BODY.TITEL}} |