KI als Stock-Picker |
15.05.2023 23:47:00
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Experiment mit KI-Chatbot: ChatGPT erstellt Aktienkorb für einen imaginären Fonds - und schlägt mit diesem beliebte Fonds
Im Rahmen eines Experiments hat der KI-Chatbot ChatGPT einen Aktienkorb für einen imaginären Fonds zusammengestellt und dabei ein glückliches Händchen beim Stock-Picking bewiesen: Das Portfolio aus den von ihm ausgewählten Titeln performte deutlich besser als einige grosse Investmentfonds.
• Fonds der KI mit Outperformance gegenüber beliebten Investmentfonds
• Verbraucher überwiegend noch nicht bereit, sich bei Investments von ChatGPT "beraten" zu lassen
Forscher haben bereits gezeigt, dass sich der Chatbot ChatGPT von OpenAI bei börsenrelevanten Themen bestens auskennt und sogar bisher eingesetzte Tools übertrifft. So kann die Künstliche Intelligenz (KI) sowohl Unternehmensnachrichten und deren Auswirkungen auf den Aktienkurs als auch Fed-Aussagen korrekt interpretieren. Fragt man den Chatbot allerdings nach konkreten Investitionsempfehlungen, beisst man jedoch meist auf Granit. Der britischen Finanzvergleichsseite "finder.com" ist es nun jedoch gelungen, die KI auszutricksen und sie dazu zu bringen, ein Fondsportfolio zusammenzustellen, dessen Performance sich sehen lassen kann.
ChatGPT stellt hochkarätig besetztes Portfolio zusammen
Die Experten von "finder.com" baten ChatGPT, ein Aktienportfolio mit mindestens 30 Titeln zusammenzustellen, das sich an den Investmentprinzipien von führenden Fonds orientiert. So sollten die im KI-Portfolio enthaltenen Unternehmen hochwertig sein, eine möglichst niedrige Verschuldung sowie ein bislang nachhaltiges Wachstum aufweisen und über Assets verfügen, die einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz darstellen. Obwohl sich der Chatbot laut der Webseite zunächst geziert habe, entsprechende Aktien zu nennen, und darauf verwies, keine spezifische Anlageberatung geben zu können, sei er dennoch schnell zur Kooperation bereit gewesen, nachdem man ihm gesagt habe, dass es sich nur um eine theoretische Übung handle.
In der Folge stellte ChatGPT ein theoretisches Depot zusammen, das aus 38 Aktien bestand - und das sich durchaus sehen lassen kann. In dem Portfolio der KI vertreten sind durchweg bekannte Titel wie unter anderem Meta, Microsoft, Intel, Johnson & Johnson, Visa, Alphabet, Coca-Cola, Nestlé, Amazon, Adobe, Salesforce, Walmart, NVIDIA oder auch Berkshire Hathaway. Auch die Performance des Depots von ChatGPT ist beeindruckend: In den ersten zwei Monaten nach seiner Zusammenstellung am 6. März gewann der Aktienkorb 4,9 Prozent an Wert. Der S&P 500 stieg im gleichen Zeitraum nur um rund drei Prozent - und die beliebtesten Fonds im Vereinigten Königreich schnitten sogar noch einmal deutlich schlechter ab.
KI-Portfolio lässt etablierte Fonds alt aussehen
Um den ChatGPT-Fonds zu bewerten, verglich "finder.com" dessen Performance in den ersten acht Wochen nach der theoretischen Auflegung mit der der zehn beliebtesten Fonds im Vereinigten Königreich, die regelmässig auf der Internetseite von "Interactive Investors" veröffentlicht werden - darunter Fonds von Vanguard, Fidelity und HSBC mit überwiegend globalem Investmentfokus. Diese haben laut dem Finanzvergleichsportal im betrachteten Zeitraum durchschnittlich 0,8 Prozent an Wert verloren - sie haben also deutlich schlechter abgeschnitten als der Aktienkorb der KI. Ausserdem habe ChatGPT die realen Fonds an 87 Prozent der Tage im Untersuchungszeitraum outperformt. Die grösste Lücke zwischen dem KI-Portfolio und den realen Fonds sei am 6. April zu beobachten gewesen, als das ChatGPT-Depot sich 4,7 Prozent im Plus bewegt habe, während die echten Fonds durchschnittlich 1,9 Prozent verloren hätten.
Mehr als die Durchschnittswerte aus allen zehn etablierten Fonds nennt die Finanzvergleichsseite jedoch nicht. Bei einem Blick auf die Seite von "Interactive Investor" zeigt sich, dass nicht alle der beliebtesten Fonds so schlecht abgeschnitten haben. So hat etwa der Fonds Fundsmith Equity I Acc im betrachteten Acht-Wochen-Zeitraum ebenfalls hinzugewonnen, jedoch deutlich weniger als das von ChatGPT zusammengestellte Portfolio. Auch generell muss beachtet werden, dass acht Wochen ein sehr kurzer Zeitraum für einen Performance-Vergleich sind und sich die Entwicklung über eine Zeit von mehreren Monaten oder Jahren durchaus anders darstellen könnte.
Sollten Verbraucher einer KI ihre Investment-Entscheidungen überlassen?
Dennoch ist das Abschneiden des ChatGPT-Fonds bemerkenswert - vor allem, da die KI eigentlich ja keine Anlageempfehlungen geben sollte. "Die Öffentlichkeit hat nicht lange gebraucht, um kreative Wege zu finden, ChatGPT dazu zu bringen, ihnen in Bereichen zu helfen, in denen dies technisch eigentlich nicht möglich sein sollte. Es wird nicht lange dauern, bis eine grosse Anzahl von Verbrauchern versucht, ihn für finanziellen Gewinn zu nutzen", wird Jon Ostler, CEO von "finder.com", in der Pressemitteilung zu den Ergebnissen des Experiments zitiert. Tatsächlich zeigt eine im Auftrag des Vergleichsportals durchgeführte Studie unter 2'000 britischen Verbrauchern, dass sich bereits jetzt acht Prozent der Befragten finanzielle Ratschläge bei ChatGPT geholt haben. Weitere 19 Prozent würden dies in Erwägung ziehen. Dabei zeigten sich Millennials und die Generation Z aufgeschlossener dafür, sich in finanziellen Dingen von der KI beraten zu lassen, als ältere Generationen.
"Die Demokratisierung der KI scheint etwas zu sein, das die Finanzindustrie umwälzen und revolutionieren wird, obwohl es für die Verbraucher noch viel zu früh ist, sich in Bezug auf ihre eigenen Finanzen mitreissen zu lassen", warnte Ostler jedoch. Tatsächlich scheint das auch die Mehrheit der Umfrageteilnehmer so zu sehen, denn 35 Prozent gaben an, sich aktuell keine Finanztipps von der KI holen zu wollen, und weitere 38 Prozent sagten, sie seien nicht sicher, was ChatGPT überhaupt sei.
Der "finder.com"-CEO empfiehlt, bei Investmententscheidungen weiterhin auf althergebrachte Vorgehensweisen zu setzen und selbst zu recherchieren oder mit einem qualifizierten Finanzberater zu sprechen, anstatt auf eine KI zu setzen, die "offen sagt, dass ihre Daten seit September 2021 lückenhaft sind und der die Feinheiten der Marktpsychologie fehlen". Aber diese Empfehlung gelte laut Ostler möglicherweise nicht mehr für immer - vor allem auch im Licht des aktuellen Experiments.
Redaktion finanzen.ch
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