29.06.2012 22:22:32
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Die Karten am Klinikmarkt werden neu gemischt
Von Heide Oberhauser-Aslan
Fresenius-Chef Ulf M. Schneider hat viel gewagt und am Ende verloren. Wie gewohnt schnell und ohne Umwege wollte der erfolgsverwöhnte Manager, der bisher eine glückliche Hand bei Zukäufen bewies, auch die Übernahme der fränkischen Krankenhauskette Rhön-Klinikum über die Bühne bringen. Mit dem hauseigenen Management sollte der Klinikkonzern rasch integriert werden. Um völlige Handlungsfreiheit bei Rhön-Klinikum zu bekommen, wollte Schneider 90 Prozent plus eine Aktie erwerben. Mit weniger wollte sich der Manager nicht zufrieden geben. Ganz oder gar nicht lautete die Devise - der Erzrivale Asklepios gab jedoch den Spielverderber.
Lange Zeit sah es so aus, dass der Deal trotz der hohen Annahmeschwelle gelingen würde. Dafür sprach der attraktive Preis von 22,50 je Aktie, der am Tag vor dem Angebot 52 Prozent über dem Schlusskurs der Rhön-Aktie am lag. Rhön-Gründer und Hauptaktionär Eugen Münch gab seinen Segen, und auch Vorstand und Aufsichtsrat befürworteten schließlich das Angebot. Selbst Markteilnehmer und Analysten bejubelten das Vorhaben und hoben die strategische Logik und die immensen Chancen hervor, die das Zusammengehen der großen Wettbewerber berge.
Doch die Rechnung ging für Schneider am Ende nicht auf. Nicht alle Marktteilnehmer, das ist seit heute klar, konnte er überzeugen. Erstaunlich still war es nach der Ankündigung des Übernahmeplans vor allem bei den beiden anderen großen privaten Klinikkonzernen Asklepios und Sana geblieben. Keiner wollte sich zu dem Vorhaben öffentlich äußern. Doch hinter den Kulissen brodelte es gewaltig. Bedenken wurden laut. Die Übernahme hätte das Machtgefüge im deutschen privaten Klinikmarkt gewaltig verschoben.
Durch den Zusammenschluss der beiden Marktführer Helios und Rhön-Klinikum wäre der mit Abstand größte private Klinikkonzern in Deutschland entstanden, ein übermächtiger Wettbewerber mit 6 Milliarden Jahresumsatz. Der bis dato etwa gleichgroße Hamburger Klinikkonzern Asklepios und die etwas kleinere Kette Sana aus Ismaning bei München wären deutlich zurückgefallen. So viel Marktmacht konnte den Konkurrenten nicht recht sein. Ihr Gestaltungsspielraum wäre merklich geschrumpft. Sie mussten befürchten, bei allen zukünftigen Auktionen von Krankenhäusern ins Hintertreffen zu geraten. Der Finanzkraft des Branchenriesen wären sie nicht mehr gewachsen gewesen.
Während Sana, die im Besitz von Krankenversicherern liegen, das Vorhaben nur kritisch verfolgte, handelte Asklepios. Mit dem Kauf des Aktienpakets von gut 5 Prozent einen Tag vor Ablauf der Offerte zog der eigenwillige Alleineigentümer Bernard Broermann die Notbremse - und hatte Erfolg. Am Ende kam Fresenius nur auf 84,3 Prozent. Zu groß war die Verunsicherung im Markt nach dem Paukenschlag von Broermann.
Die geplante Übernahme durch Fresenius war Broermann schon länger ein Dorn im Auge. Dass er so spät dazwischen funkte, war Kalkül. "Das U-Boot lag schon lange unter Wasser im Hafen", sagte ein Insider. Den Zeitpunkt hatte Broermann geschickt gewählt: Nach Rechtslage war es für Fresenius so kurz vor Ablauf des Angebots nicht mehr möglich, an den Bedingungen wie Annahmeschwelle oder Preis zu drehen, um den Deal doch noch hinzubekommen. Allerdings hatte Fresenius eine Änderung dieser Bedingungen auch stets ausgeschlossen.
Die Karten werden jetzt wieder neu gemischt. Trotz des gescheiterten Übernahmeangebots - der Stein zur raschen Konsolidierung des Sektors ist jetzt ins Rollen gekommen. Das alte Machtgefüge am privaten Klinikmarkt wird über kurz oder lang Geschichte sein. Wer mit wem künftig enger zusammenrücken wird und welche Strategie die vier großen privaten Klinikkonzerne fahren werden, ist noch völlig offen. Doch Rhön-Klinikum ist jetzt auf dem Markt.
Rhön-Gründer Eugen Münch hat bereits angekündigt, im Falle eines Scheiterns der Fresenius-Offerte nach Alternativen zu schauen. Ihm, der auch den Deal mit Fresenius eingefädelt hatte, kommt eine Schlüsselrolle zu, denn ohne sein Aktienpaket von 12,45 Prozent kann kein möglicher Rhön-Erwerber Handlungsfreiheit bei der fränkischen Klinikgruppe bekommen.
Unklar bleibt weiter, was Broermann bei Rhön-Klinikum wirklich vorhat. Dass er nur den Fresenius-Deal platzen lassen wollte, ist eher unwahrscheinlich. Seine Begründung für den Aktienkauf, er wolle sich Gestaltungsmöglichkeiten bei Rhön-Klinikum offenhalten, spricht für weitergehende Ziele. Im Alleingang wird Asklepios aber kein Übernahmeangebot für Rhön-Klinikum machen können. Dazu reicht die Finanzkraft nicht aus. Eine Vermutung ist, er könne vielleicht eine enge Kooperation mit Rhön-Klinikum anstreben. Im Dunkeln liegt bisher auch, ob Broermann mittlerweile weitere Aktien gekauft hat, denn die nächste meldepflichtige Schwelle ist erst bei 10 Prozent.
Auch Helios bleibt mit der Finanzkraft von Fresenius im Rücken trotz der erlittenen Schlappe in einer guten Ausgangsposition und wird neue Konstellationen prüfen. Mit dem Kauf von 3,6 Prozent an Rhön-Klinikum haben die Bad Homburger jetzt ebenso wie Asklepios den Fuß in der Tür des Wettbewerbes. Als Alternative könnte auch der viertgrößte deutsche Krankenhauskonzern Sana für Helios als Partner in Frage kommen.
Klar ist, der Markt muss sich konsolidieren. Früher oder später muss es zu größeren Einheiten kommen, denn hohe Preise für öffentliche Kliniken und immense Investitionsauflagen machen das bisherige Geschäftsmodell privater Träger immer weniger attraktiv. Groß geworden sind sie durch den Erwerb maroder Kliniken in öffentlicher Trägerschaft, doch der starke Wettbewerb untereinander hat die Preise verdorben. Zudem werden mittlerweile deutlich weniger Kliniken privatisiert als noch vor Jahren, da die Kommunen trotz Finanznot mit der in der Bevölkerung unpopulären Privatisierung zögern. Das schmälert die Wachstumsmöglichkeiten, und der geschrumpfte Markt hat die Objekte zusätzlich verteuert.
Als Ausweg suchten die privaten Klinikketten ihr Heil zuletzt im Zukauf anderer privater Wettbewerber. Asklepios stockte seinen Anteil an der Klinikkette MediClin aus Offenburg auf über 50 Prozent auf, Helios übernahm die norddeutsche Damp Gruppe einen der zehn größten deutschen privaten Krankenhausbetreiber.
Mit der Übernahme von Rhön-Klinikum hätte sich für Fresenius die Chance geboten, mit Helios auf dem Wachstumskurs deutlich schneller voranzukommen. Es winkten Größenvorteile im Einkauf, in Service und Verwaltung und hohe Synergien. Einen Versuch war es daher wert.
Auch wenn den Fresenius-Chef die Niederlage sicher wurmt, er kann sie verschmerzen. Der Konzern wächst weiter, erst im April war der Ergebnisausblick kräftig angehoben worden. Zwar haben sich die Bad Homburger mit Blick auf die Übernahme mit einer Kapitalerhöhung eine Milliarde Euro Eigenkapital verschafft. Doch der Konzern wird unabhängig vom Krankenhausgeschäft auch in anderen Konzernteilen wie der Sparte Kabi sicherlich Möglichkeiten finden das Geld gewinnbringend einzusetzen. Falls nicht, läge der Verschuldungsgrad am unteren Ende des angepeilten Zielkorridors und damit immer noch im optimalen Bereich.
Auch die Kosten für den Übernahmeversuch bleiben überschaubar. Auf einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag schätzen Analysten die Ausgaben etwa für Anwälte und Berater. Das wird Fresenius aus der Portokasse bezahlen können.
Mit dem kleinen Fleck auf der makellosen Übernahmebilanz muss Schneider nun fertig werden.
DJG/hoa/kla/cln
(Mehr zu diesem Thema und weitere Berichte und Analysen zu aktuellen Wirtschafts- und Finanzthemen finden Sie auf www.WSJ.de, dem deutschsprachigen Online-Angebot des Wall Street Journal.)
(END) Dow Jones Newswires
June 29, 2012 15:52 ET (19:52 GMT)
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